Markenzeichen mit Mustang

Silbergrau oder dunkelblau waren in den 70er-Jahren die Dienstwagen der SZ-Oberen. Hans Ulrich Kempskis Auto war knallrot, und es war auch kein Mittelklasse-BMW, sondern ein Ford Mustang Cabrio.

Solch ein Statussymbol, wie es sich der SZ-Chefreporter ertrotzt hatte, kann schnell lächerlich wirken. Bei ihm war das nicht so. Es mag eine Marotte gewesen sein, ja, aber sie stand ihm. Die jungen, von 68 angehauchten SZ-Leute kamen gar nicht auf die Idee, sich über den Mustang aufzuregen. Kempski war kaum fünfzig und schon das Markenzeichen der Süddeutschen Zeitung.

Einige von den Jungen hatten ihn in der benachbarten Münchner Journalistenschule kennen gelernt. Erst waren sie ein bisschen erschrocken, denn der Mann wirkte nicht gerade uneitel und hatte ein Schnarren in der Stimme, das den früheren Fallschirmjäger verriet. Doch schnell waren sie fasziniert von der Prägnanz im Ausdruck, die auch seine Reportagen auszeichnete. Wofür andere 15 Minuten Geschwurbel brauchten, das hatte Kempski seinen Eleven in drei Minuten mitgeteilt. Er erzählte vom Beginn seiner Journalistenkarriere bei der Deutschen Nachrichtenagentur Dena, von den Geschichten rund um die gescheiterten Verhandlungen zwischen West- und Ostdeutschland und davon, wie man als Journalist an Exklusivstorys kommt, wenn man länger dranbleibt und den Ort eines Geheimtreffens herausbekommt.

Damit konnte man was anfangen, das zählt auch heute noch, zumal im investigativen Journalismus: genauer hinschauen, mehr telefonieren, länger bleiben. Kempski war ja nicht nur ein glänzender Reporter, der auf dem schwierigen Feld der politischen Reportage über Jahrzehnte hinweg Standards setzte. Nicht gerade unter seinen Fittichen – dazu war er zu sehr Solist –, aber von ihm wohlwollend gefördert, hat sich in der Süddeutschen eine ganze Garde erstklassiger Reporter entwickeln können.

Kurt Kister hat in der SZ geschrieben: „Nein, Journalisten wie Hans Ulrich Kempski gibt es heute nicht mehr.“ Das ist wahr, die Zeiten, die Lesegewohnheiten haben sich verändert. Die Frage, ob das nicht schade ist, wird man aber stellen dürfen. Frustriert von der Häppchenwirtschaft des Fernsehens und der Beliebigkeit des Internets könnten Leser wieder geneigt sein, sich einem Reporter anzuvertrauen, der die Prinzipien der SZ-Legende Kempski hochhält: sich dem Gegenüber mit Respekt, aber auch Distanz nähern, sich von Neugier, nicht vom Vorurteil leiten lassen.

Hans Ulrich Kempski ist am Sonntag im 86. Lebensjahr in München gestorben.MICHAEL STILLER

Der Autor war 37 Jahre lang Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“