Muhabbet und die Integration: Verbotene Liebe

Der "Deutschland"-Song des umstrittenen Sängers Muhabbet ist raus - der böse Verdacht bleibt hängen.

Muhabbet: "Bitte nehmt uns so, wie wir sind." Bild: dpa

Seit gestern steht der "Deutschland"-Song, den der deutschtürkische Schmusesänger Muhabbet vor drei Wochen gemeinsam mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und seinem französischen Kollegen Bernard Kouchner aufgenommen hat, in den Plattenläden. Damit darf man sich jetzt den wirklich wichtigen Fragen zuwenden. Etwa wozu der Sänger eigentlich zwei Minister als Chorknaben braucht. Oder wovon der Song handelt. Und ob die prominenten Politiker mit ihrer Gesangseinlage nicht bloß darüber hinwegtäuschen wollten, dass es ihren Regierungen ansonsten an zündenden Integrationsideen fehlt.

All diese Fragen waren in den Hintergrund gerückt, als die Journalistin Esther Shapira verkündete, der 23-jährige Sänger habe ihr gegenüber den Mord am Filmemacher Theo van Gogh begrüßt. Damit war der Ton gesetzt, der Sänger stand fortan unter "Islamismusverdacht". Ein paar besonders Eifrige wühlten sogar in seiner Vergangenheit, wo sie ein paar Raptexte seines Bruders zutage förderten, für die Muhabbet kurzerhand der Sippenhaftung unterworfen wurde.

Anders als bei Eva Herman, Bushido oder Ralph Giordano, die gerne mal die öffentliche Provokation suchen, sind Muhabbets so umstrittene Äußerungen allerdings im privaten Rahmen gefallen; der Sänger hat sie dementiert. Trotzdem wird der Vorwurf fortan an ihm hängen bleiben. Nicht bei den Fans, die ihr Idol besser zu kennen meinen. Aber bei Journalisten, die einer Kollegin eben mehr Glauben schenken als einem 23-jährigen Musiker, von dem sie nie zuvor gehört hatten.

Dabei gibt es ja gar nicht so wenige Journalisten, die eine Geschichte aufbauschen, um sich selbst wichtig zu machen. Esther Shapiras Eifer trifft jedenfalls den Falschen. Das hat weniger mit Muhabbets oft zitiertem Engagement für SOS-Kinderdörfer oder die Unicef zu tun. Es liegt eher an der Botschaft, die Muhabbet unermüdlich verbreitet: dass man auch als Migrantenkind sein Schicksal in der eigenen Hand hat; dass man nicht seine Herkunft verleugnen muss, um sich mit Deutschland zu identifizieren; und dass man sich nicht zu viel über Diskriminierungen beklagen sollte, sondern einfach ehrgeiziger und fleißiger sein muss als der Rest. Diese Botschaft verbreitet Muhabbet auf seinen Platten, Konzerten und an Schulen. Damit hat er mehr für die Integration getan als viele, die ihn jetzt kritisieren. Wenn es sich bei ihm also um einen Islamisten handeln sollte, dann braucht dieses Land dringend mehr davon.

Bislang ist Muhabbet vor allem durch harmlose Liebesballaden in Erscheinung getreten. Muhabbets "Deutschland"-Song, der jetzt in die Läden kommt, ist nun ein Liebeslied an diese Republik. Denn anders als Sido, Bushido & Co, die sich in der Pose des selbst gewählten Außenseiters gefallen, will Muhabbet unbedingt gefallen und dazugehören. Trotz des etwas weinerlichen orientalischen Gesangsstils ist die Botschaft seines "Deutschland"-Songs durchaus fordernd: Wir Einwandererkinder wollen ein Teil dieser Gesellschaft sein. Wir sind integrationsbereit, aber seid ihr es auch? Bitte nehmt uns so, wie wir sind.

So ausgeprägt ist Muhabbets Aufstiegswille, dass er dafür sogar die Nähe zu Politikern sucht, was man als Popstar tunlichst vermeiden sollte. Glaubt man den bisherigen Reaktionen, wird es allerdings bei einer unerwiderten Liebe bleiben.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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