Islamwissenschaftlerin über Muslimische Jugend: "Jugendliche werden indoktriniert"

Die Muslimische Jugend vermittelt bei den Camps ein sehr ambivalentes Bild ihrer Religion - "islamistisch" nennt es die Orientalistin Ursula Spuler-Stegemann.

"Keine islamistische Ideologie": Muslimische Mädchen. Bild: dpa

taz: Frau Spuler-Stegemann, die Muslimische Jugend (MJD) hat während der Osterzeit ihre jährlichen Camps veranstaltet. Sind das harmlose Jugendtreffen, oder wird hier der islamistische Nachwuchs gefördert?

Ursula Spuler-Stegemann: Bei diesen Camps wird ein ganz bestimmtes Bild des Islams vermittelt, das als rigide orthodox anzusehen ist. Ich bewerte es als islamistisch.

Welches Islambild wird hier konkret verbreitet?

Diese Frage kann niemand besser beantworten als der Gründer der MJD selbst, Muhammad Siddiq Borgfeldt, den der Verfassungsschutz Baden-Württemberg wie folgt zitiert: "Muslim sein (werden) bedeutet auch, Gott als einzige Quelle aller Gesetze anzuerkennen. Auch die von 90 Prozent der Bevölkerung gewählte Regierung hat nie das Recht, auch nicht mit absoluter oder Zweidrittelmehrheit, etwas zu verbieten, was Gott erlaubt hat, beziehungsweise etwas zu erlauben, was Gott verboten hat. Jeder Herrscher, jede Regierung, jeder Einzelne ist immer nur ausführende Gewalt, denn Gesetze zu geben steht allein Gott zu." Das ist die völlige Absage an unser Demokratieverständnis und das offene Eintreten für eine schariakonforme Theokratie. Wer im Besitz dieser Erkenntnis und der allein gültigen Wahrheit ist, muss den Islam allüberall so weit wie möglich durchsetzen.

Auf der Homepage gibt man sich moderat, betont die kulturelle Aufgeschlossenheit. Aber beim Pfingsttreffen 2007 der Muslimischen Jugend in Bad Orb wurden Broschüren mit fragwürdigem Inhalt verteilt. Versucht die MJD, die Öffentlichkeit zu täuschen?

Auffällig ist natürlich diese völlig Diskrepanz zwischen der Außendarstellung und der bei solchen Gelegenheiten angebotenen islamistischen Literatur. Die durchaus attraktiv gestaltete Homepage ist ja leicht überprüfbar: Es wäre absolut töricht, wenn die MJD dies nicht im Blick hätte. Sieht man genauer hin, stellt man fest, dass Offenheit nicht angesagt ist. Der gesamte MJD-Vorstand wird ohne den Nachnamen aufgeführt, der Vorstandsvorsitzende ist schlicht "Bruder Mohammed aus Bochum", und damit nicht identifizierbar. Bei den MJD-Veranstaltungen ist man ja untereinander und man fühlt sich sicherer. Es ist eine abgeschirmte Welt. Hier können sie dann fragwürdige Bücher anbieten.

Wissen die jungen Menschen vielleicht nichts von diesen fragwürdigen Schriften und den Vorwürfen?

Zunächst einmal wird den jungen Menschen dort von Sport über Hiphop bis Unterhaltung vieles geboten. Sie erhalten natürlich auch Informationen über den richtigen Islam und über ihre eigene Bedeutung für die Zukunft. Sie lesen deshalb vermutlich manches - falls es sie überhaupt interessiert - mit anderen Augen, als wir dies tun müssen, wenn wir die größeren Zusammenhänge bedenken. Der Mehrheit der Jugendlichen möchte ich gar keine islamistische Ideologie unterstellen; sie wollen ja durchaus Gutes tun. In diesem Sinne bemühen sie sich zum Beispiel um einen intensiven Umgang mit anderen Religionen.

Werden Jugendliche instrumentalisiert?

Sie werden sicher indoktriniert.

INTERVIEW: CIGDEM AKYOL

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