Hauptverdiener mit Mini-Elternzeit: Die Mauer im Kopf der Männer

Zwar nehmen immer mehr Männer "Elternzeit", allerdings meist nur für zwei Monate. Das wirft die Frage auf: Gelten nur Hauptverdiener als sexy?

Armer Vater unter Doppelbelastung. Bild: dpa

Anspruch auf das staatliche Elterngeld hat, wer ein Kind betreut und deswegen seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, aber auch, wer arbeitslos ist. Das Elterngeld beträgt für erwerbstätige Mütter und Väter 67 Prozent des wegfallenden Nettoeinkommens, jedoch nur höchstens 1.800 Euro monatlich. Dies gilt auch für Freiberufler. Wird die Arbeitszeit reduziert, gibt es das Elterngeld anteilig nur für das wegfallende Arbeitseinkommen. Der Mindestbetrag ist 300 Euro, auch für arbeitslose Mütter oder Väter. Ein Elternteil kann höchstens 12 Monate lang Elterngeld beziehen; beteiligt sich der zweite Partner auch daran, erhöht sich die Bezugsdauer um 2 auf 14 Monate. Dies ist der Grund, warum viele Väter genau 2 Monate Elterngeld in Anspruch nehmen. Wenn beide PartnerInnen gleichzeitig Elterngeld beanspruchen und dabei Teilzeit arbeiten, können sie dies allerdings nur maximal 7 Monate lang tun. Diese zeitliche Beschränkung einer gleichzeitigen Arbeitsteilung wird von Kritikern als zu eng gerügt und es werden dafür gesetzliche Nachbesserungen gefordert. Väter oder Mütter haben einen Anspruch, während der Elternzeit im Job auszusetzen. Ein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit in dieser Phase besteht gegenüber der Firma aber nur, wenn der Betrieb mehr als 15 ArbeitnehmerInnen beschäftigt. Andernfalls muss die Teilzeitarbeit im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber ausgehandelt werden.

Eigentlich sind die Zahlen ja ganz toll. Da redeten Politikerinnen jahrelang davon, dass Männer mehr Anteil an der Erziehungsarbeit nehmen sollen. Und nun das. Im vergangenen Jahr, seit Einführung des Elterngeldes, wurde diese Leistung für 60.000 Männer bewilligt, berichtete das Statistische Bundesamt am Freitag. Jeder zehnte Empfänger von Elterngeld ist ein Mann. Die Rollenbilder wandeln sich. Doch damit geraten Männer in einen neuen Mehrfrontenkrieg.

"Wir haben Männer in unseren Seminaren, die sich in der Kinderbetreuung und dem Haushalt sehr engagieren, aber darunter leiden, gleichzeitig die Hauptverantwortung tragen zu müssen für die wirtschaftliche Absicherung der Familie", sagt Günter Heinemann, Kursleiter in den Seminaren "Work-Life-Balancing für Väter" des Instituts für Burnout-Prävention in Hamburg.

Männer, die Väter werden, kämpfen heute auf drei Schauplätzen. Front Nummer eins ist der Kampf am Arbeitsplatz, um Karriere, Entgelt und Anerkennung. Die zweite Front verläuft zu Hause, in der Partnerschaft. Und die dritte im Kopf der Männer selbst, nämlich im Konflikt mit traditionellen Bildern von "Männlichkeit" und dem eigenen Selbstwert. "Mit den Optionen haben sich auch die Konflikte vervielfältigt", stellt Hans-Georg Nelles fest, Unternehmensberater in Düsseldorf und Leiter des Projekts "Väter und Karriere".

Die Lightversion der männlichen Familienarbeit besteht darin, nur zwei "Vätermonate" lang im Job auszusetzen. Würde der Mann diese Zeit nicht nehmen, verfiele das Elterngeld für diese "Partnermonate". 60 Prozent der aussetzenden Väter entschieden sich für diese Variante. "Das ist in der Regel am Arbeitsplatz unproblematisch, eher wie ein längerer Urlaub oder eine Krankheitsphase", erklärt Robert Richter, der an der Universität Paderborn zu diesem Thema forscht. Schwieriger wird es, wenn die Männer länger aussetzen und schließlich über mehrere Jahre hinweg ihre Arbeitszeit reduzieren wollen.

Ein 41-jähriger Controller aus Berlin, der demnächst das zweite Mal Vater wird, will lieber anonym bleiben, wenn er darüber spricht, warum er die Familienzeit nicht genommen hat. "Hier wird der ganze Mann gebraucht", hatte ihm sein Chef beschieden, als er nach der Geburt des ersten Kindes auf Teilzeit gehen wollte. Wer wegen der Kinder weniger arbeiten wolle, sei in der Firma falsch, so der Boss.

Der Berliner Controller wird dennoch seine Arbeitszeit nach der Geburt des zweiten Kindes verkürzen. Um zehn Prozent. Jeden zweiten Freitag bleibt er dann zu Hause. Selbst damit sei er schon "für weiterführende Jobs aus dem Rennen", befürchtet er. Männer, die auf ihrem Zusatzjob als Vater bestehen, haben bei vielen Personalchefs immer noch ein Imageproblem.

"Oft ist das eine Generationenfrage", erläutert Volker Baisch vom Hamburger Verein Väter e. V. Ein Personalchef, der etwa selbst eine Frau zu Hause hatte, die ihm den Rücken freihält, tendiere möglicherweise dazu, von den jungen Mitarbeitern die gleiche Arbeitsteilung zu erwarten - vielleicht sogar aus Neid.

Doch Wahrnehmungen verändern sich. Durch Gewohnheit. "Früher galten Männer, die wegen eines Kindes aussetzten, bei den Personalchefs als Exoten", beschreibt Baisch, "doch wenn so ein Personalchef dann den dritten Fall hat, erscheint das als legitim. Beim vierten ist es kein Thema mehr."

Die Belastungen für die Männer verringern sich dadurch nicht. Im Gegenteil, sie können sich sogar verdoppeln. Denn im Job müssen die Väter nun beweisen, dass sie trotz aktiver Elternschaft hoch motivierte Arbeitskräfte sind. Und zu Hause sollen sie den sensiblen Familienvater geben, nicht selten unter Anleitung der Frau. Oft stellen die Mütter die Rolle des Mannes als "Hauptverdiener" dabei aber gar nicht infrage.

"Nicht wenige Mütter sagen: Du darfst zwei Monate Elternzeit machen, aber dann gehst du wieder in den Job und verdienst gut Geld", erzählt Baisch. Für manche Frauen ist ein angenehmer Teilzeitjob plus des vollen Verdiensts des Mannes immer noch das wirtschaftliche Konzept für die Familie.

"Das ist die Ambivalenz mancher Frauen", sagt Unternehmensberater Nelles, "sie möchten einen Mann, der sich liebevoll um die Kinder kümmert, der sie beruflich unterstützt, aber wirtschaftliche Sicherheit soll er auch bieten." Der Münchner Psychotherapeut Stefan Woinoff beklagte unlängst sogar das "Beuteschema" mancher Frauen, für die Männer angeblich vor allem dann sexy seien, wenn sie viel Geld verdienten und dadurch materiell beschützend wirkten.

Doch das neue Unterhaltsrecht hält Mütter heute verstärkt dazu an, sich früher um selbst verdientes Geld zu kümmern. Und auch der unsichere und wechselhafte Jobmarkt untergräbt die Rolle des Mannes als Hauptverdiener.

Es war das Angebot des staatlich finanzierten "Elterngeldes", das mehr Männer in die "Vätermonate" brachte. Und auch künftig dürften vor allem wirtschaftliche Gründe dafür sorgen, dass die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen neu ausgehandelt wird. "Frauen müssten mehr Geld verdienen in Deutschland", sagt Baisch lapidar, "das würde einiges in Bewegung setzen."

Mitarbeit: Lars Gaede

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