Gabriel auf Agrosprit-Einkaufstour: Brasilien soll die Tanks vollmachen

Der Bundesumweltminister bringt nach Brasilien einen Vertrag zur Lieferung von Agrosprit mit. Kritiker fürchten, dass das Land dafür zuviel Anbaufläche für Nahrungsmittel opfert.

Damit Papa zuhause Agrosprit tanken kann, fallen womöglich noch mehr Amazonaswälder der Rodung zum Opfer Bild: dpa

Eigentlich war die Brasilienreise von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) als Routineangelegenheit geplant: Demnächst übernimmt Deutschland von Brasilien den Vorsitz der UN-Konvention über biologische Vielfalt. Vom 19. bis 30. Mai tagt die Artenschutzkonferenz in Bonn. Zudem wollte der Minister die bilaterale Zusammenarbeit zum Thema Agrotreibstoffe ausbauen - am Freitag besuchte er eine Ethanolfabrik im Bundesstaat São Paulo.

Doch die Debatten der letzten Wochen verliehen der Visite unvermutete Brisanz: Auf einer Pressekonferenz in Brasília betonte Gabriel, sein Zurückrudern bei der Agrosprit-Beimischung zu Benzin Anfang April richte sich nicht gegen das brasilianische Ethanol. Die EU-Nachhaltigkeitskriterien für den Import von Agrotreibstoffen, die noch ausgearbeitet werden, sieht er für Brasilien bereits erfüllt. Seine brasilianische Kollegin Marina Silva beteuerte, dass die Produktion von Ethanol aus Zuckerrohr in Brasilien weder zu Lasten des Regenwaldes noch der Nahrungsmittelproduktion gehe. "Wir können unsere Produktion verdoppeln, ohne auch nur einen einzigen Baum zu fällen", behauptete Silva.

Brasilianische AktivistInnen sehen das anders. Im Hinterland von São Paulo sei das Zuckerrohr "in die Region der Früchte eingefallen", sagt Antonio Garcia aus Guariba, "man findet nur noch wenige Apfelsinen, Guaven, Zwiebeln, Knoblauch oder Kartoffeln". Seit 1990 wurde die Anbaufläche in ganz Brasilien um über 50 Prozent ausgeweitet, auf mittlerweile 70.000 Quadratkilometer. Setze sich diese Entwicklung fort, werde Brasilien eines Tages sogar Bohnen, Reis und Maniok importieren müssen, fürchtet der katholische Priester, der seit 20 Jahren zugewanderte Zuckerrohrschneider betreut und juristisch berät: "Dann wird es nicht mehr genug Leute geben, die für den internen Verbrauch produzieren."

Auch die Versprechungen, von der Agrodieselproduktion würden Kleinbauern profitieren, haben sich nicht erfüllt. Der meiste Agrodiesel wird aus Sojabohnen hergestellt. Die Monokulturen Soja und Zuckerrohr bedrohen vor allem die ökologisch wertvolle Cerrado-Savanne und verdrängen vielerorts die Viehzucht nach Amazonien.

Dort hat sich die Urwaldzerstörung seit Mitte letzten Jahres enorm beschleunigt. Während Gabriels Aufenthalt in der Region gab das Forschungsinstitut Imazon neue Entwaldungszahlen für die Bundesstaaten Mato Grosso und Pará bekannt. Demnach wurden dort von Januar bis März trotz der Regenzeit mindestens 214 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt, 3-mal so viel wie im ersten Jahresquartal 2007. Den Zusammenhang mit den steigenden Weltmarktpreisen für Agrarprodukte bestreitet kaum jemand.

"Das brasilianische Agrobusiness möchte die Welternährungskrise nutzen, um seinen Angriff auf den Regenwald zu rechtfertigen, und das in einem Moment, in dem Amazonien unter Sperrfeuer steht", sagt Paulo Adario von Greenpeace. Blairo Maggi, der Gouverneur von Mato Grosso und einer der größten Sojaproduzenten der Welt, hatte letzte Woche verkündet: "Nun kommt der Zeitpunkt, an dem wir darüber diskutieren müssen, ob wir die Umwelt wie bisher schützen oder ob wir mehr Essen herstellen." Letzteres gehe nicht, "ohne neue Gebiete zu besetzen und Bäume zu fällen", meinte Maggi. Zudem sollen in der Amazonasregion riesige Palmölplantagen angelegt werden - auf gerodeten Urwaldflächen.

Unter dem Strich fällt die Klimabilanz der Agrotreibstoffe negativ aus. Trotzdem wollen Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Lula da Silva übernächste Woche ein Abkommen unterzeichnen, in dem auf eine "nachhaltige" Produktion von Agrotreibstoffen abgehoben wird. "Zertifizierungen oder Handelsstandards werden gegen die Risiken der boomenden Agrosprit-Produktion wenig ausrichten", ist Thomas Fatheuer von der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio sicher. "Es sei denn, die Europäer zahlen höhere Preise", so Michael Becker vom WWF Brasilien. Legt man die Erfahrungen im Sojahandel zugrunde, ist damit aber nicht zu rechnen.

Scharfe Kritik an den deutsch-brasilianischen Geschäftsplänen kommt von der Umweltgruppe "Rettet den Regenwald", die sich für einen Importstopp von Agrosprit und Soja starkmacht. Sprecher Klaus Schenck: "Einen krasseren Kontrast zwischen der Artenvielfalt der brasilianischen Urwälder und den 30 Millionen Hektar Soja- und Zuckerrohr-Monokulturen, von denen die Agroenergie stammt, gibt es nicht."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.