Gentechnik soll Hunger stillen

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnt vor den Folgen teurer Lebensmittel und fordert eine Grüne Revolution in den Entwicklungsländern. Kritik der Grünen: Dies helfe bloß Saatgutkonzernen

VON CHRISTINE ZEINER

Am Montag gingen die Proteste weiter: Diesmal demonstrierten Tausende in Kalkutta gegen hohe Lebensmittelpreise. Manche warfen mit Steinen auf Busse, zerschlugen mit Stangen Windschutzscheiben, unterbrachen die Stromzufuhr in den Oberleitungen, blockierten Straßen. Seit Wochen gehen Menschen weltweit auf die Straße: Lebensmittel werden für viele in Burkina Faso, Bangladesch oder Haiti kaum mehr bezahlbar.

„Wenn wir diese Krise nicht richtig angehen, könnte sie eine Kettenreaktion auslösen“, meint denn auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei der Eröffnung der zwölften UN-Konferenz zu Handel und Entwicklung (Unctad) in der ghanischen Hauptstadt Accra. Die große Frage ist nur: Wie lautet die Antwort auf die Krise?

Für Ban Ki Moon ist klar: Eine neue Grüne Revolution ist nötig. Die Weltbank hatte das Konzept der Grünen Revolution seit den 1960er-Jahren in Lateinamerika und Asien gefördert: Hochleistungssaatgut, das spezielle Düngemittel und Pestizide benötigt, brachte höhere Erträge – und führte viele Kleinbauern ins Aus. „Um die Lebensmittelkrise langfristig zu lösen, muss die Produktion gesteigert werden“, sagt Ban. Wie sein Vorgänger Kofi Annan meint Ban damit Saatgut, das mithilfe von Gentechnik höhere Erträge garantiert, weil es beispielsweise Trockenheit besser standhält. Doch Entwicklung wie Einsatz dieses Saatguts stehen noch in den Anfängen. Geht es nach Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, soll das auch so bleiben.

Der Grünen-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschusses im Europaparlament sieht darin weniger die Möglichkeit, die Erträge zu steigern, als vielmehr Saatgutunternehmen Profit zu verschaffen. „Die Gentechnikindustrie versucht die gegenwärtige Situation auszunutzen“, sagt er. Auch der Weltlandwirtschaftsrat hatte vergangene Woche von Intensivanbau und Gentechnik in der Landwirtschaft abgeraten: Die Produktivität sei in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen, heißt es in dem Bericht des UN-Gremiums; langfristig sei das aber keine Perspektive, denn einfache Bauern müssten den Preis dafür bezahlen.

In Europa hingegen wurde jahrzehntelang mehr produziert, als absetzbar war. Um die Überproduktion in den Griff zu bekommen, mussten Bauern 10 Prozent ihrer Agrarfläche ruhen lassen. Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) fordert angesichts der vergleichsweise hohen Nahrungsmittelpreise, das EU-Instrument der Flächenstilllegung aufzuheben – wobei das für die Aussaat in diesem Jahr bereits gilt. Auf die Lebensmittelpreise wird dies zudem wenig Einfluss haben: Denn auf mehr als der Hälfte der stillgelegten Fläche wuchsen stattdessen Energiepflanzen. Die Bundesregierung hat nun eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine Antwort auf die weltweite Preisexplosion bei Nahrungsmitteln finden soll. Erste Vorschläge für die nationale und internationale Ebene soll sie dem Kabinett vor der Sommerpause machen.