Artenschutz bei Unternehmen: Die Wirtschaft wäscht sich grün

Die Industrie hat die Biodiversität entdeckt - als PR-Methode, die die Firmen als Ökohelden darstellt. Nachhaltige Änderung der Rohstoffnutzung und schonende Produktion sind selten.

Hat den Kranich im Logo und schützt ihn in PR-tauglichen Vorzeigeprojekten: die Lufthansa. Bild: dpa

Es riecht nach Leinöl, Apfelsine und Bergamotte. Das Labor ist mit unlackierten Vollholzmöbeln eingerichtet. Wenn hier ein Chemiker eine neue Anstreichfarbe oder einen Kleber entwickeln will, setzt er sich erst einmal in die umfangreiche Firmenbibliothek, in der Bücher über Rohstoffe aus dem 16. Jahrhundert bis heute stehen. Oft muss er dann bei Biologen nachfragen, ob die dort beschriebenen Färber- und Nutzpflanzen überhaupt noch existieren. Denn ein erheblicher Teil der Sorten, die es im 19. Jahrhundert noch in großer Vielfalt gab, ist für immer von der Erde verschwunden.

Wir sind bei der Firma Auro, einem der Vorzeigeunternehmen, die die biologische Vielfalt aktiv schützen - und zugleich Geld damit verdienen. "Im Prinzip sind alle Pflanzen hoch effiziente, sehr differenzierte Chemiefabriken, die abfallfrei arbeiten" erläutert Firmenchef Hermann Fischer. Aus Wasser und Kohlendioxid entwickeln sie mithilfe des Sonnenlichts eine unermessliche Vielfalt von Grundstoffen, die vollständig biologisch abbaubar sind. Und so verrichten Pflanzen die Synthesearbeit für die Braunschweiger Firma. Ihre Farben, Kleber und Putzmittel erhalten stets Bestnoten von der Stiftung Warentest. Ganz anders als die Farben, die es in der Regel im Baumarkt zu kaufen gibt. Sie basieren auf einem einzigen Grundstoff: Erdöl. Als bedauerliche Begleiterscheinung entstehen bei ihrer Herstellung erhebliche Mengen giftiger Abfälle.

Die Wirtschaft und die Biodiversität, das ist nicht immer eine harmonische Verbindung. Um die Industrie zu stärkeren Anstrengungen zu bewegen, will Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vorbildliche Unternehmen als Anschauungsobjekte präsentieren, wenn sich Vertreter aus 190 Ländern im Mai zur Biodiversitätskonferenz in Bonn treffen.

Dazu zählt etwa die Lufthansa. Ein gutes Dutzend Airline-Mitarbeiter jettet im Urlaub nach Südafrika und hilft dort den Rangern, Elefanten und Nashörner zu zählen. Auch Kranichschutzstationen profitieren von dem Luftfahrtunternehmen. VW schließlich finanziert die Renaturierung einer Flussniederung in Wolfsburg, unterstützt die Feldhamster in Sachsen, lässt für den Verkauf jedes Trucks zehn Bäumchen pflanzen und verwendet für den Druck einer Nachhaltigkeitsbroschüre Papier mit dem FSC-Siegel.

Doch das eigentliche Problem hat ganz andere Dimensionen. "Klimawandel, Landwirtschaft, Entwaldung und das Einschleppen fremder Arten in Ökosysteme sind für den größten Teil des Biodiversitätsverlusts verantwortlich", sagt Mark Schauer, Fachmann für das Thema im Bundesumweltministerium. Und gerade beim Klima macht die Lufthansa gar keine gute Figur. Seit 1991 hat der Konzern den CO2-Ausstoß mehr als verdoppelt. Auf EU-Ebene betreibt die Gesellschaft massiv Lobbyarbeit, um den Flugverkehr aus dem Emissionshandel herauszuhalten. Auch das Engagement von VW für den Schutz der Artenvielfalt hat einen schalen Beigeschmack. Der Wolfsburger Konzern gibt gerade beim Bau von Luxuswagen und großen Mittelklassemodellen Gas. Bei der Kohlendioxidminderung ist er Schlusslicht unter den deutschen Autofirmen ist.

Für Christine Pohl von Friends of the Earth sind Lufthansa und VW klare Fälle für das sogenannte Green Washing. Firmen preisen PR-wirksam "umweltfreundliche Verhaltensweisen, das alte, schmutzige Kerngeschäft läuft aber weiter wie vorher", sagt Pohl.

Ganz anders sieht das Edgar Endrukaitis von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Wichtig ist, das Thema durch so große Firmen wie die Lufthansa erst einmal bekannt zu machen. "Wir müssen realistisch sein", sagt Endrukaitis, der "Biodiversity and Business" fürs Umweltministerium durchführt. "Kein Unternehmen wird wegen einer Leadershiperklärung zur Biodiversität seine Produktpalette umstellen."

Wenn es allerdings um mehr geht, als schöne Bilder von Kranichen und Flussniederungen zu verbreiten, scheint die Bundesregierung nicht viel zu tun. Sigmar Gabriel und seine G-8-Kollegen haben bereits im März 2007 beschlossen, der Geldwirtschaft aufs Dach zu steigen - damit sie bei der Kreditvergabe den Schutz der Biodiversität mit bedenkt. Der Deutsche Bankenverband hat von diesem Ansinnen bislang allerdings noch nichts gehört.

Nicht allein die Unternehmen müssen fundamental umdenken. "Viele unserer Subventionen fördern den Verlust der biologischen Vielfalt", beschriebt Mark Schauer vom Umweltministerium die Rolle des Staats. Nicht nur die mit Milliarden geförderte industrielle Landwirtschaft hat zur rasanten genetischen Verarmung der Nahrungspflanzen geführt, auch die Ausrottung der Fischbestände wird mit Steuergeldern unterstützt. Das heißt: Für jeden verdienten Euro legen die Industrieländer noch einmal den gleichen Betrag obendrauf.

Vielleicht wachen Wirtschaftsbosse und Politiker auf, wenn nackte Zahlen belegen, wie teuer der Artenschwund tatsächlich ist. Beim Klimawandel hat das mit der Veröffentlichung des "Stern-Reports" vor zwei Jahren ja gut geklappt. Nun soll Pavan Sukhdev von der Deutschen Bank Research Gleiches für das Thema Biodiversität leisten. Den Auftrag hat der Inder vom Bundesumweltministerium und der EU-Kommission. Im Mai sollen die ersten Zwischenergebnisse vorliegen.

Das Beispiel der Firma Auro zeigt, wie grundlegend ein Umdenken in der Industrie sein muss - ansonsten ist der Verzicht etwa auf die Farbenherstellung aus Erdöl nicht machbar. "Der Rohstoff, auf den sich die konventionelle Chemie kapriziert, ist über kurz oder lang zu Ende. Unserer dagegen wächst immer wieder nach", sagt Auro-Chef Fischer. Er ist sich sicher, dass die Chemie der Zukunft so ähnlich aussehen muss wie bei Auro. Und weil solch eine Produktion auf so viele unterschiedliche Rohstoffe wie möglich angewiesen ist, werde der Mensch dann auch die Biodiversität wieder wertschätzen, pflegen und sogar fördern.

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