Wettrennen für größere Energieeffizienz

STROMSPAREN In Japan zwingt sich die Industrie selbst dazu, dass ihre Geräte weniger Strom verbrauchen

Innerhalb einer Produktgruppe wird das sparsamste Gerät – der Top Runner – zum Mindestmaßstab für die nächste Generation gemacht. Die Ergebnisse sind beeindruckend

AUS TOKIO MARTIN FRITZ

Stromsparen ist eine japanische Spezialität: Ein Japaner verbraucht im Schnitt nur etwa halb so viel Elektrizität wie ein Deutscher. Bei elektrischen Haushaltsgeräten führen japanische Hersteller die Energiesparliga an. Die wichtigste Ursache dafür ist das 1998 eingeführte Top-Runner-Programm. Mit einem einfachen Mechanismus zwingt es die Unternehmen zu einem Wettrennen hin zu möglichst energieeffizienten Geräten. Dabei wird innerhalb einer Produktgruppe das sparsamste Gerät – der Top Runner – zum Mindestmaßstab für die nächste Generation gemacht. Nach vier bis fünf Jahren müssen alle Geräte der Gruppe diesen Standard erfüllen oder noch effizienter sein. Dann wiederholt sich der Prozess.

„Das Top-Runner-Programm ist eine der größten Öko-Erfolgsgeschichten weltweit“, lobt Masanobu Ishikawa von der Universität Kobe. Ein Gerät, das die Norm erfüllt, erhält ein grünes Schild mit dem Buchstaben „E“. Die Zahl daneben gibt an, um wie viel Prozent es besser ist als der neueste Standard. Ein orangefarbenes „E“ brandmarkt die Verlierer-Geräte. Ihre Hersteller werden öffentlich angeprangert. Die Verbraucher sind dadurch gut informiert.

21 Produktgruppen unterliegen dem Top-Runner-Programm. Neben Fahrzeugen, Heizungen und Boilern gehört dazu der Großteil der Büro- und Konsumelektronik, die nach ihrer Größe und Leistung unterteilt werden, etwa Waschmaschinen je nach ihrer Beladung. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Wandklimaanlagen wurden von 1997 bis 2004 um 68 Prozent effizienter. Bis 2010 sollen sie um weitere 22 Prozent zulegen. Fotokopierer wurden von 1997 bis 2006 um ein Drittel sparsamer. Kühlschränke von 2004 verbrauchen 55 Prozent weniger Energie als das beste Gerät von 1998. Bis 2010 müssen sie nochmals 21 Prozent besser sein. Computer wurden in den fünf Jahren bis 2006 um 69 Prozent und beheizbare Toilettenbrillen – in Japan ein Massenprodukt – um knapp 15 Prozent energieeffizienter. Bis 2012 sollen die Brillen nochmals 10 Prozent sparsamer sein.

Nicht der Staat, sondern die Industrie selbst legt die Höhe der Messlatte fest. Das ist so schlau wie unfair. Denn da für einen Hersteller der Mittelwert all seiner Produkte gilt, sind die Großkonzerne automatisch im Vorteil. In Europa orientieren sich die Standards an der Lebensdauer der Geräte. Das verlängere die Verhandlungen über einen Mindestmaßstab, meint das Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie in einer Studie.

Den Nachteil beim Top Running sehen die Experten darin, dass die Menge der eingesparten Energie unbekannt bleibt. Die Hersteller verraten nämlich nicht, wie viel Stück sie von welchem Gerät verkaufen. Hinter der Top-Runner-Idee steckt eben auch kühle wirtschaftliche Absicht: Der niedrige Energieverbrauch soll japanische Produkte wettbewerbsfähiger machen. Daher steuert das allmächtige Wirtschaftsministerium das Programm. Mit Erfolg: Japans Marktführer Panasonic hat gerade seine Kühlschränke in Europa neu auf den Markt gebracht. Sie verbrauchen 20 Prozent weniger Energie als der höchste Standard A.