Spekulation um Präsidentenvermögen: Armer Putin, reicher Putin

Nach offiziellen Angaben ist das Vermögen des russischen Präsidenten eher bescheiden. Doch daran glaubt keiner. Laut einer anderen Studie ist der Milliardär Putin Europas reichster Mann.

Wie viel Geld er tatsächlich auf seinen Konten hat, weiss nur Putin selbst. Bild: reuters

MOSKAU taz Präsident Wladimir Putin lebt nicht auf großem Fuß. In Sankt Petersburg gehört der Familie eine kleine Wohnung, in der Nähe von Moskau ein Stückchen Land, und auf mehreren Konten haben die Putins einige Notgroschen von rund 200.000 Dollar zurückgelegt. Zwei sowjetische Oldtimer aus den 1960er-Jahren zählen auch noch zum Familienbesitz. Wladimir Putin erbte sie vom Vater. Auch das Jahressalär des russischen Präsidenten ist mit 100.000 Dollar eher bescheiden und niedriger als das manch anderen Staatsoberhauptes. US-Präsident George Bush verdient immerhin eine halbe Million Dollar. Im Oktober legte Wahlkämpfer Wladimir Putin die Vermögensverhältnisse offen, so wie es das Gesetz von Bewerbern um ein Dumamandat verlangt. Der Besitzstand des Kremlchefs war im Vergleich zur letzten Bekanntgabe 2004, als sich Putin ein zweites Mal zum Präsidenten wählen ließ, um etwa die Hälfte geschrumpft. Je länger im Amt, desto schlechter steht er da. Die Besitzstandsmeldungen tragen in Russland regelmäßig zur Volksbelustigung bei. Niemand nimmt die Angaben für bare Münze.

Etwas andere Zahlen legte der Politologe Stanislaw Belkowski kurz danach vor. In einem Interview mit der Welt veranschlagte der Leiter eines russischen Thinktanks das Vermögen des Präsidenten auf etwa 40 Milliarden Dollar. Damit wäre der Kremlchef der reichste Mann in Russland und Europa. Belkowski gehörte früher zu einem engen Zirkel, der direkten Zugang zum Kreml hatte. 2003 soll er die Kampagne gegen den Ölmilliardär Michail Chodorkowski und den Yukos-Konzern maßgeblich mit initiiert haben. Die Kampagne endete mit der Zerschlagung des Konzerns und der Enteignung des Eigentümers.

Laut Belkowski besitzt Wladimir Putin 4,5 Prozent am russischen Gasmonopolisten Gazprom, dessen Aktien innerhalb der letzten fünf Jahre von drei auf 52 Dollar gestiegen sind. Putins Anteile wären 13 Milliarden Dollar wert. Außerdem sollen dem Kremlchef noch 37 Prozent an Russlands drittgrößter Ölfördergesellschaft "Surgutneftegaz" gehören, deren Wert auf 20 Milliarden Dollar geschätzt wird. Der Ölproduzent geriet 2004 in die Schlagzeilen. Bei der Demontage und späteren Versteigerung des Yukos-Konzerns soll er die ominöse Briefkastenfirma "Baikal-Finanzgruppe" unterstützt haben, die das Filetstück des Konzerns "Yuganskneftegas" günstig ersteigern konnte. Nicht alle Anteile - wie offiziell dargestellt - gingen auch an den Staatskonzern Rosneft über. Die Anfrage eines Dumaabgeordneten nach dem Verbleib der Anteile wurde von der Regierung nie beantwortet.

Als Aktieneigentümer erscheine Putin in keinem Verzeichnis namentlich, meint Belkowski. Das Eigentümergeflecht der Offshore-Firmen und -Fonds sei ziemlich undurchsichtig, laufe am Ende aber in Zug und Liechtenstein wieder zusammen. Mit Putin als dem Begünstigten.

Ein drittes Spielbein des Kremlchefs soll die Ölhandelsfirma Gunvor sein. Obwohl weltweit drittgrößter Ölhändler und wichtigster Exporteur russischen Öls verfügt Gunvor weder über eine Website, noch hat es eine Moskauer Niederlassung. Offiziell vertreibt Gunvor das Öl von vier russischen Firmen. Surgutneftegas wickelt seit Jahren den Export fast ausschließlich über dieses Unternehmen ab, das außer in der Schweiz auch im Offshore-Paradies der Britischen Virgin Islands registriert sein soll.

Zu der Unternehmensgruppe gehört anscheinend auch die im Kanton Zug ansässige IPP Ltd. 2007 meldete Gunvor einen Gewinn von 8 Milliarden Dollar und einen Umsatz von 43 Milliarden Dollar. Angeblich besitzt Putin die Hälfte des Unternehmens, das an die 20 Milliarden Dollar wert sein soll. Gunvors Eigentümer ist Gennadi Timtschenko, ein alter Freund und früherer Kollege Putins. Beide arbeiteten in den 80er-Jahren in der Abteilung für Auslandsspionage des KGB. Timtschenko ist inzwischen finnischer Staatsbürger. 2004 nannte Iwan Rybkin, ein ehemaliger Dumavorsitzender und Präsidentschaftskandidat, Timtschenko als einen von drei Männern, die im Auftrage des Kremlherrn als "Kassierer" unterwegs seien. Nach der Enthüllung verschwand Rybkin auf mysteriöse Weise, kehrte später zwar zurück, aber nicht mehr in die Politik.

Dass Details an die Öffentlichkeit gelangten und nicht dementiert wurden, deutet auf Machtkämpfe zwischen den Kremlclans hin. Die Vertreter der Sicherheitsapparate wollen Putin damit zwingen, an der Macht zu bleiben und ihre Geschäfte zu decken. Andernfalls bliebe nur noch das übrig, was in der Einkommenserklärung stand.

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