Flüchtlingsdramen vor Italien: Tod im Mittelmeer
Vor Süditalien häufen sich erneut die Flüchtlingsdramen. Eritreer und Palästinenser landen an, nicht alle lebend.
ROM taz Hunderte angelandete Bootsflüchtlinge, dutzende Tote, 14 festgenommene Schlepper: Italien erlebt wieder einmal die traurige Normalität der Immigrantenschicksale.
Im sizilianischen Portopalo gingen am Dienstagmorgen 255 Menschen aus Eritrea von Bord eines 26 Meter langen Bootes, das von der Küstenwache bei schwerer See aufgebracht worden war. In Kalabrien kamen 35 Palästinenser und Ägypter mit zwei Schlauchbooten an; die Polizei äußerte die Vermutung, dass sie von einem Mutterschiff vor der Küste aus gestartet waren. Zugleich meldete die Polizei die Festnahme von 14 tunesischen Seeleuten, die nach einer stundenlangen Verfolgungsfahrt auf hoher See gestellt wurden. Von einem ihrer zwei Fischerboote hatten sie am Montag schon 50 Menschen auf Schlauchbooten abgesetzt, während sich im Rumpf des anderen Schiffes noch 90 Personen befanden, als die Jagd begann.
Zugleich geht die Suche nach den Vermissten zweier Bootsunglücke vom Sonntag weiter. Vor der Küste Kalabriens war ein Holzboot auf einer Sandbank gestrandet und auseinandergebrochen. 119 Menschen wurden gerettet, 7 Leichen geborgen, und mehr als 20 Personen werden noch vermisst. Die Überlebenden - sie stammen aus dem palästinensischen Gaza-Streifen - gaben an, sie seien mit dem Kahn von Ägypten aus eine Woche unterwegs gewesen. Auf 11 ist die Zahl der geborgenen Leichen dagegen vor der Küste von Syrakus gestiegen; dort waren Flüchtlinge mit zwei Schlauchbooten gekentert. 7 Menschen wurden gerettet; sie sprachen von 37 Personen an Bord; damit beläuft sich die Zahl der Vermissten auf 19.
Leser*innenkommentare
Burkhard Lehde
Gast
Tod im Mittelmeer vor Italien. Noch mehr Tod im Atlantik vor den Kanarischen Inseln. Die Wege der kleinen Boote werden immer länger je besser die Abschottungspolitik der EU funktioniert. Schuld ist in den Medien meist die "Schlepper-Mafia", die - von Ausnahmen abgesehen - nicht existiert.
Fischer, die wegen der Übermacht der riesigen Fangschiffe vor ihrer Küste nicht mehr existieren können, funktionieren heute als "Reisebüro" und vermieten ihre Boote an Flüchtlinge.
Bei der Konferenz der EU-Grünen-Fraktion in Las Palmas (Gran Canaria) wurde es deutlich: Abgesandt mehrerer afrikanischer Länder bestätigten, dass "Millionen von Afrikanern auf die Chance warten, die lebensgefährliche Reise in ein vermeintlich besseres Leben anzutreten".
Ein Immigrant, der auf den Kanarischen Inseln landete und ausnahmsweise nicht sofort von der EU-finanzierten Wärmeradars entdeckt wurde, die inzwischen alle Küsten des Archipels bewachen, liess keinen Zweifel an der Entschlossenheit verzweifelter Menschen und sagte mir: "Erst wenn ihr in der Lage seid, hohe Mauern im Meer zu errichten, werden wir nicht mehr in die Boote steigen."
Bis dahin wird es weiter tausende toter "boat people" geben auf dem Weg nach Europa. Weil es, aller Medienberichte zum Trotz, die Reichen nicht wirklich interessiert, wie viele Hungerleider im Meer versaufen. Nur wenn sie sich frech als Leiche zwischen die Liegestühle der Touristen legen, stört es ein wenig.
Burkhard Lehde
Gran Canari