Marxismuskongress: Klassenkampf und Rauchverbot

Auf dem Kongress "Marx is muss" in Kreuzberg geht es noch das ganze Wochenende um die Bücher von Karl Marx, die Aktualität des Klassenkampfbegriffs und die Zukunft der Linken.

Nur der Herr ganz links wird in Kreuzberg gefeiert: Karl Marx Bild: REUTERS

Alle reden vom Kapital, die hier lesen es: Mehr als 300 Teilnehmer diskutieren noch bis zum Sonntag in Kreuzberg über den Vordenker der Arbeiterbewegung. Im September hatte sich die Organisation Linksruck als Sammelbecken für linksradikale Trotzkisten aufgelöst und als Netzwerk "Marx 21" innerhalb der Partei "Die Linke" wiedergegründet. Dies ist nun der erste Kongress des Netzwerks.

"Die Linke hat seit ihrer Gründung schon viel erreicht", sagt Mitorganisator Stefan Bornost bei seiner Begrüßungsrede am Donnerstagabend. Ob der Grünen-Parteitag sich gegen das Afghanistan-Mandat ausspricht, der SPD-Vorsitzende Beck den Älteren ihr Arbeitslosengeld länger auszahlen will oder tausende Menschen gegen den G-8-Gipfel demonstrieren: Ohne "Die Linke", so Bornost, hätte es das alles so nicht gegeben. Jetzt müsse man "dafür sorgen, dass die Partei auch wirklich die Partei wird, die wir uns wünschen: gegen Krieg, gegen Sozialabbau und für eine Zusammenarbeit mit Gewerkschaften."

Die Teilnehmer der Tagung sind zumeist jung. Daniel zum Beispiel ist Ende 20 und extra aus Wien angereist. Er trägt einen dunklen Kapuzenpulli, auf seiner Baseballkappe ist der Sticker "No G 8" angenäht. Gekommen ist er, weil ein Thema auf dem Kongress Islamfeindlichkeit ist und darüber auch in Wien gerade diskutiert wird.

Gleich nach der Begrüßung entwickelt sich auch schon die erste engagierte Debatte: Rauchverbot in der Kongresskneipe - ja oder nein? Die Nikotinsüchtigen gewinnen die Oberhand. Dann werden noch die Gemeinschaftsdienste verteilt: Wer aus Hannover kommt, hilft beim Essenkochen, Freiburger und Heidelberger machen Thekendienst in der Kneipe.

Im Raum 1 stellt Klaus-Dieter Heiser die Ergebnisse einer Befragung vor: "Die Linke" schafft es demnach besser, die linken Wählerschichten zu erreichen, als es die Vorgänger PDS und WASG konnten. Allerdings habe die Glaubwürdigkeit der Partei nachgelassen, gerade durch die Regierungsbeteiligung in Berlin.

Im Raum 3 geht es parallel dazu um die Frage: "Warum heute das Kapital lesen?" Zehn Minuten lang interpretiert Frieder Otto Wolf allein den ersten Satz des Klassikers von Karl Marx, der da lautet: "Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheure Warensammlung."

Wolf macht sich an die Auslegung: Das Wort "herrscht" in dem Satz werde in vielen Kommentaren zum Buch kaum beachtet, dabei könne man das als die Beschreibung eines Herrschaftsverhältnisses deuten. Oder das Wort "erscheint": Kann man das nicht auch so auslegen, dass es nicht wirklich so ist, sondern nur so scheint?

"Wir wollen auf diesem Kongress diskutieren, wie man passive Ablehnung in aktiven Widerstand verwandeln kann", sagt Mitorganisator Stefan Bornost. "Um zur richtigen Strategie zu kommen, braucht man eine richtige Analyse der Verhältnisse." Marx ist dabei für ihn auch 124 Jahre nach dessen Tod der Bezugspunkt: "Seine Analyse, dass der Kapitalismus auf einem Klassengegensatz beruht, ist heute aktueller denn je."

Am heutigen Samstag diskutiert der Kongress in der Alten Feuerwache, Axel-Springer-Straße 40/41, in knapp 30 parallel stattfindenden Foren über den Aufstieg und Fall der KPD in der Weimarer Republik, die 68er, den Wohlfahrtsstaat oder eine marxistische Analyse des Gangster-Raps. Am Sonntag ist nach vier Foren schon nach dem Mittagessen Schluss.

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