Tour de France-Berichterstattung: Eigendoping bei Sat.1

Völlig überraschend steigt Sat.1 in die Live-Berichterstattung über die Tour de France ein. Und erhält von ARD und ZDF eine Sublizenz für die Rechte.

Keine Angst vor Doping - Sat.1 Satellitenschuüseln Bild: ap

Der Gewinner der Tour de France 2007 steht schon fest: Es sind Eurosport - und Sat.1. Der in Frankreich beheimatete Sportkanal übertragt die Tour mit einer Auslandslizenz schon immer live. Und Sat.1 stieg gestern völlig überraschend ab 15.00 Uhr mit dem Rest der 11. Etappe von Marseille nach Montpellier in den Radfahrzirkus ein.

Eine Sublizenz machts möglich: ARD und ZDF hätten sich bei ihrem vorläufigen Tour-Ausstieg am Mittwoch darauf verständigt, dass die TV-Rechte für die Live-Übertragung weitergereicht werden können, bestätigte ZDF-Sprecher Alexander Stock der taz. Dass der Deal mit Sat.1 so schnell zustande kam, hat aber auch die Öffentlich-Rechtlichen "völlig überrascht", so Stock.

"Ich bin sehr froh, dass wir so kurzfristig eines der weltgrößten Sportereignisse zeigen können", sagte Sat.1-Geschäftsführer Matthias Alberti: "Alle, die dem Radsport verbunden sind, haben eine gute Berichterstattung verdient." Wie gut die von N24-Sportchef Timon Saatmann und Ex-Radprofi Mike "The Bike" Kluge bestrittene Übertragung wirklich wird, bleibt abzuwarten. - Gestern kam der eher sterile Kommentar aufgrund der hektischen Ereignisse jedenfalls noch aus der Senderzentrale in Berlin.

Offiziell, so das ZDF, laufe die Sat.1-Lizenz nur, solange ARD und ZDF ihre ursprünglich geplante Live-Berichterstattung wegen des Dopings-Verdachts beim Team-T-Mobile-Fahrer Patrik Sinkewitz aussetzten. Doch der Deal zeigt, dass man intern bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr von einer Rückkehr zur Tour 2007 ausgeht.

An ihrer Notbremsung und den Folgen werden ARD und ZDF noch länger zu kauen haben: "Die Entscheidung der ARD, die Tour 2007 überhaupt zu übertragen, war falsch", sagte Dagmar Reim, Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, gestern der taz. "Jetzt bekommen wir die Quittung dafür." Reim hatte als einzige ARD-IntendantIn gegen die Übertragung gestimmt. Sie geht nun davon aus, dass auch der Rest der Tour ohne öffentlich-rechtliche Live-Berichterstattung stattfindet.

Beim Saarländischen Rundfunk, der aktuell den ARD-Vorsitz hat, muss man dagegen formal noch ein paar Türchen offenhalten: Über den endgültigen Tour-Ausstieg müssten erst alle IntendantInnen befinden, sagte ARD-Sprecher Peter Meyer der taz. Sollte die B-Probe von Patrik Sinkewitz, dessen positive A-Probe den vorläufigen Sendeschluss bei ARD und ZDF ausgelöst hatte, den erhöhten Wert des Sexualhormons Testosteron bestätigen, werde das aber "höchstwahrscheinlich bedeuten, dass man aussteigt". Auch das ZDF hat sich de facto schon von der Tour verabschiedet: "Wir gehen davon aus, dass man die Live-Übertragung nicht wieder aufnimmt", sagt Alexander Stock. Beide Sender wollen weiter über den Radzirkus berichten - nur eben nicht mehr live. "Die Selbstreinigung des Sports ist Aufgabe des Sports", so RBB-Chefin Reim: "Wir haben diese Aufgabe zu beobachten - das ist unser Job -, aber wir können daran nicht mitwirken.

Zahlen müssen ARD und ZDF für diese nun nicht mehr in Anspruch genommenen Live-Rechte dennoch. "Wir sparen nichts", sagt ZDF-Mann Stock. Dies sei gegenüber den GebührenzahlerInnen aber in jedem Falle vertretbar: "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, es bedeutet auch keinen kompletten Ausstieg aus dem Radsport." Angst vor den eigenen Instanzen braucht beim ZDF dabei niemand zu haben: Der ZDF-Fernsehrat, das oberste Gremium der Anstalt, hatte bei einer nicht bindenden Abstimmung schon vor Beginn der Tour gegen die Übertragung votiert. Die Rechte-Weiterverwertung durch Sat.1 geht dabei offenbar auch in Ordnung: Man habe früh signalisiert, dass man einer Sublizensierung "nicht im Wege stehen" wolle, so Stock - schließlich könne man "den Laden" Tour de France "ja nicht komplett zumachen".

Jetzt seien die Tour-Teams und der Radsport an sich selbst gefragt: "Die Selbstreinigung des Sports ist Aufgabe des Sports", sagte RBB-Chefin Reim im hauseigenen Inforadio: "Wir haben diese Aufgabe zu beobachten - das ist unser Job - aber wir können daran nicht mitwirken.

Die Fahrer bei der Tour de France sehen das anders: Jens Voigt, Interessenvertreter der Radprofis und Etappensieger bei der Tour de France 2001 und 2006, kritisierte gestern den ARD- und ZDF-Rückzug mit markigen Worten: "Ich halte die Entscheidung für völlig überzogen, sie hilft keinem. Das ist ja wie früher in der DDR: Zwei Leute entscheiden gegen den Willen des Volkes, schließlich haben sich zwei Drittel der Fernseh-Zuschauer gegen den Ausstieg ausgesprochen." Für den Fahrer des dänischen CSC-Teams hat der Fall Sinkewitz ohnehin nicht direkt mit der Tour zu tun: "Die Kontrolle war doch am 8. Juni, einen Monat vor dem Tourstart."

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