Das Unbehagen der Frau

Als Gender Bias, zu Deutsch „geschlechtsspezifische Voreingenommenheit“ oder „geschlechtsbezogener Verzerrungseffekt“, werden männlich geformte Denk- und Handlungsweisen bezeichnet. Auch Frauen, die in patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen leben, haben diese internalisiert, obwohl sie damit die übergeordnete Stellung von Männern festigen. Gender Bias kann sich zum Beispiel in einer Planung, in der nicht bedacht wird, dass Frauen und Männer aufgrund ihrer unterschiedlichen gesellschaftlichen Position verschiedene Bedürfnisse und Interessen haben können, manifestieren.

Second-wave feminism bezieht sich auf die Frauenbewegung der 60er- und 70er-Jahre. Während sich der first-wave feminism hauptsächlich mit den gesetzlichen Ungleichheiten befasst hat, konzentrierte sich der second-wave feminism mehr auf die Ungleichheiten im Alltag. Der Begriff second-wave feminism rührt daher, dass sich gesellschaftlicher Wandel in Wellen vollzieht.

Gloria Steinem, eine Ikone der Frauenrechtsbewegung der 60er- und 70er-Jahre und Gründerin des feministischen Frauenmagazins Ms, rief im Rahmen der Vorwahlen in Texas im März zu einer Frauenrevolution auf. Wie Robin Morgan ist sie eine der bekannteren Feministinnen, die sich öffentlich für Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin ausgesprochen haben.

Robin Morgan, eine amerikanische Autorin, Dichterin und Gründerin des „Sisterhood is Global Institute“, aktualisierte Anfang dieses Jahres ihren berühmten Essay „Goodbye to All That“ aus den 70er-Jahren mit der Behauptung, dass Hillary Clinton die qualifizierteste Kandidatin für den Job des Präsidenten wäre.

Radical feminism erklärt die patriarchale Organisation von Sexualität und Reproduktion zum Hauptthema. Diese Strömung des Feminismus sieht die Wurzel des Patriarchats in der Kleinfamilie und in heterosexuellen Beziehungsmustern. MAB

Jede Band hat die Fans, die sie verdient. Die Obamamania greift um sich – und wird jungen Amerikanerinnen der oberen Schichten doch suspekt. Aber auch Clinton spaltet die potenziellen Wähler. Soll man sie wählen, nur weil sie eine Frau ist?

VON REBECCA TRAISTER

Diese coolen jungen Menschen verkörpern den größten Albtraum ihrer Eltern: eine Generation, die die feministischen Errungenschaften als so selbstverständlich betrachtet, dass sie Hillary Clinton schneller stürzen, als sie „Ich steh auf Obama“ sagen können.

Viele junge Frauen sind dermaßen weit vom Feminismus entfernt, dass Gender Bias für sie obsolet geworden ist. Die öffentlichen Beschwörungen von Streitern wie Gloria Steinem und Robin Morgan nerven sie. Der Druck ihrer Vorfahren entfremdet sie nur noch mehr vom second-wave feminism und treibt sie weiter in die ausgebreiteten Arme des „Yes we can!“-Typs um die Ecke.

Junge Menschen wählen Obama, Clinton beunruhigt sie. Doch in den letzten Monaten ist vielen jungen Frauen auch die Obamamania zu viel geworden. Eine größer werdende Zahl fühlt, dass etwas Dunkles, Merkwürdiges und wahrscheinlich nicht so Frauenfreundliches unter dem fieberhaften Fanatismus ihrer Obama-liebenden Mitstreiter mitschwingt.

Ich fing an, über diese Entwicklung zu berichten, teils weil ich mich als 32 Jahre alte Frau, die liberaler ist als beide der Kandidaten und die bis zum Super Tuesday hin und her gerissen war, immer mehr in einer Situation wiederfand, in welcher ich Clinton nur wegen der Obama-Verehrung verteidigte. Ich war irritiert von der gutgläubigen, bedingungslosen Hingabe, die meine ehemals zynischen Gefolgsleute an den Tag legten, besonders dann, wenn diese einherging mit einer Verurteilung von Hillary Clinton, deren Politik der ihres Gegners doch sehr ähnlich ist. Ich war entsetzt über die häufig geäußerte Ankündigung, der Wahl ganz fernzubleiben oder sogar für McCain zu stimmen, falls Obama nicht nominiert werden würde. Mir war die kultische Hingabe an diesen zweifellos inspirierenden Mann suspekt. Diesen Mann, den sogar seine Frau „nur einen Mann“ nennt.

Ich bin eine laute Feministin und eine langjährige Clinton-Skeptikerin, doch auf einmal hatte ich das Gefühl, dass ich mich rechtfertigen, mich entschuldigen oder sogar schweigen sollte über mein wachsendes Unbehagen an der Art und Weise, wie über Clinton gesprochen wurde. Unterdessen bekam ich E-Mails von Männern, die ich kaum kannte und die sich an mich als die Feministin vom Dienst wandten, bei der man seinen Hass auf Hillary und seine Wut über die Beharrlichkeit, mit der sie im Rennen blieb, loswerden konnte.

Eine meiner engsten Freundinnen, eine Obama-Anhängerin, erzählte mir von einem Date mit einem politisch fortschrittlichen Mann: Er brachte eine Reihe von legitimen Beschwerden gegen Clintons Politik hervor, bis er hinzufügte, dass er jedes Mal, wenn er die Stimme der Senatorin hörte, ihr am liebsten ins Gesicht schlagen würde. Vor ein Paar Wochen besuchte mich meine Freundin Becca O’Brien, eine Anwältin und Strategieberaterin aus New Orleans. Sie erzählte mir von ihrem Erlebnis am Morgen der Vorwahl in Louisiana: O’Brien war öffentlich hin und her gerissen gewesen zwischen Obama und Clinton, und vielleicht erhielt sie deshalb fünf Anrufe von männlichen Freunden aus dem ganzen Land, die sie drängten, für Obama zu stimmen. Wie O’Brien es sah, „mutmaßten sie, dass ich unschlüssig sei, weil ich eine junge Frau bin, und dass sie mich zur Vernunft bringen könnten, wenn sie nur die letzte Person wären, mit der ich spreche, bevor ich die Wahlkabine betrete.“

O’Brien erzählte mir, dass sie ähnlich ärgerliche Geschichten von Frauen im ganzen Land gehört habe. Ich bat sie, mir diese zu schicken, und streckte meine eigenen Fühler aus. Die Frauen, die mich kontaktierten, waren fast ausschließlich gebildet und berufstätig, sicherlich eine kulturell und politisch elitäre Bevölkerungsschicht. Aber sie glichen sich alle in ihren Beschwerden.

Mia Bruch, 33, Schriftstellerin mit einem Doktor in Amerikanischer Geschichte, ist eine potenzielle Obama-Wählerin, die ihre Stimme wegen eines chaotischen Abstimmungsverlaufs am Super Tuesday nicht abgeben konnte. Sie erzählt, dass sie immer politisch fortschrittlich gewesen sei, aber jetzt eine „große Distanz“ zu ihren Parteigenossen empfinde, was teilweise an deren „unkritischer Umarmung gewisser linker Figuren“ liege, darunter Ralph Nader, Howard Dean und jetzt auch noch Obama. „Leute reden über Obama wie über einen weltlichen Messias, der uns politische Erlösung bringen wird.“ Bruch weist auf die Frage der Gesundheitsversorgung hin, in der Hillarys Politik die politisch fortschrittlichere sei. „Das aber wird irgendwie ignoriert.“

„Wenn du von Obama nicht eingenommen bist, kann die Eindringlichkeit der Obama-Anhänger sicherlich nervtötend und schwer vorstellbar sein“, erzählt Michelle Goldberg, Autorin von „Kingdom Coming“ und begeisterte Obama-Anhängerin, die ich kontaktiert hatte, weil sie über den Druck geschrieben hatte, den ältere Feministinnen auf jüngere Frauen ausüben. „Ich bin sicherlich eine größere Fanatikerin geworden, als ich das für möglich gehalten hätte. Aber sich die einmal in einer Generation vorkommende Chance entgehen zu lassen, einen liberalen Intellektuellen zu wählen, der für die progressive Bewegung tun kann, was Reagan für die konservative Bewegung getan hat, das wäre kriminell.“

Maggie Merrill, 31, Soziologiestudentin an der Universität von New Orleans und Clinton-Anhängerin, die auch für die Stadtpolitik tätig ist, erzählt mir, dass sie dennoch vollen Herzens für Obama stimmen wird. Aber auch sie hat Vorbehalte gegen die Anhänger: „Da gibt es diese Obamamania, dass junge Männer glasige Augen bekommen und vage Sachen darüber ausspucken, wie Barack Obama die Menschheit retten wird. Dieser entfernte Blick. Das ist gruselig.“

Es gibt viele unangenehme Tatsachen über Hillary Clinton: Sie hat für den Krieg gestimmt; sie hat eine militaristische Haltung zur Verteidigung Israels eingenommen; sie hat dafür gestimmt, Irans Revolutionsgarde eine terroristische Vereinigung zu nennen; sie hat eine Gesetzesänderung bezüglich der Flaggenverbrennung befürwortet; sie hat keinen guten Wahlkampf geliefert; sie ist eine Clinton. Aber obwohl dies durchaus alles Dinge sind, die einen dazu bringen könnten, ihr die Unterstützung zu entziehen, entzünden sie nicht oft diese Art unbändigen Zorns, mit der ihr bei den Vorwahlen begegnet wird. Wäre ihr Ehemann an ihrer Stelle – ein Mann, der viele derselben Makel zur Schau gestellt hat –, vielleicht würde er hinter Obama zurückliegen oder auch nicht, aber man kann sich schwer vorstellen, dass ihm mit solch einer brutalen Feindseligkeit begegnet würde.

Einem Unbehagen der Geschlechter in dem Heer von liberal eingestellten Obama-Enthusiasten ist kaum Beachtung geschenkt worden. Aber fortschrittliche Politik ist nicht immer frauenfreundliche Politik gewesen; der Feminismus der Siebzigerjahre ist zum Teil als Reaktion auf die Ungerechtigkeit der Antikriegs- und der Menschenrechtsbewegung entstanden. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die junge Obama-Bewegung ihre eigene Sorte weiblicher Unruhe schafft.

Alex Seggerman, eine 24 Jahre alte Doktorandin in Yale und Obama-Anhängerin sagte mir: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand in meinem Freundeskreis jemals behaupten würde: ‚Ich bin nicht bereit für eine Frau als Präsidenten.‘ Man würde geächtet werden. Zu sagen ‚Sie hatte Schönheitsoperationen‘ oder ‚Ihre Einstellung ist abstoßend‘ ist dagegen okay. Aber in Wirklichkeit ist dies Ausdruck der tieferen Probleme, die man mit der Tatsache hat, dass sie eine Frau ist.“

„Hillary Clinton ist für viele Menschen keine attraktive Persönlichkeit“, sagt O’Brien, die auch bemerkt, dass es „sehr günstig ist, dass es die gleichen Leute sind, die Probleme mit weiblicher Autorität haben und es vorziehen, dies lieber nicht näher zu untersuchen“, die auch etwas gegen Clintons Persönlichkeit haben, eine Antipathie, die sie unbekümmert äußern können. „Was du dann hast“, erklärt O’Brien, „ist die Energie des Ersteren, ausgedrückt in den Worten des Letzteren.“

Vielleicht liegt es an dieser Fülle rationaler Gründe, die es gibt, Clinton nicht zu mögen – perfekt geeignet, jeglichen unansehnlichen und frauenfeindlichen Makel zu tarnen –, dass viele Frauen von dem Frust sprechen, nicht in der Lage zu sein, konkrete Umstände zu benennen, die sie als Gender Bias erfahren haben. Dana Lossia, eine Obama unterstützende Gewerkschaftsanwältin aus Brooklyn, erklärt, dass sie ihre Freunde „noch nie etwas habe sagen hören, wo ich gesagt hätte: ‚Das ist ein sexistischer Kommentar.‘ Es ist nur so, dass ich nicht verstehen kann, warum sie Hillary so sehr hassen. Ich habe nur so ein Gefühl, dass sie Hillary nicht so stören würde, wenn sie ein Mann wäre. Ich glaube, dass einige Jungs einfach eine instinktive Abneigung gegen sie haben.“ Lossia erzählt, dass sie gefragt hat, warum sie Clinton so verachten. „Leute finden immer Gründe dafür, dass sie einen Kandidaten, den sie nicht unterstützen, nicht mögen“, sagt sie. „Aber niemand von ihnen hat Joe Biden oder Chris Dodd so sehr gehasst wie Hillary.“

Jessica Valenti, Gründerin der „Feministing“-Website, hat zwischen Obama und Clinton geschwankt und hat sich nicht öffentlich dazu bekannt, wen sie unterstützt. „Aber wenn ich mich positiv zu Obama äußere“, sagt sie, „dann wird gleich angenommen, dass es okay ist, etwas gegen Hillary zu mir zu sagen, von dem ich das Gefühl habe, dass es von einem absolut frauenfeindlichen Standpunkt herrührt. Das Gleiche passiert, wenn ich etwas Positives über Hillary sage; irgendjemand wird dann in eine Hetzrede gegen Hillary verfallen, die gar nichts mit ihr als Politikerin zu tun hat. Aber weil es nicht ausdrücklich sexistisch ist, scheint es unmöglich, mit den Leuten darüber zu diskutieren, denn wenn du etwas sagst, bist du gleich eine verrückte Feministin für sie.“

„Ich lokalisiere Sexismus beruflich. Man sollte glauben, dass ich in der Lage wäre, ein Beispiel dafür zu finden.“ Wenn es um Feminismus geht, benötigt man Beweise, um jemanden zu überzeugen, dass Sexismus existiert, „sogar wenn er explizit und unverschämt vor einem ist. Wenn er gedämpft und subtil auftritt, will man nicht darüber sprechen.“

Die 33-jährige Schauspielerin Molly Ward ist frustriert darüber, dass Frauen, die ehrgeizig sind, sofort als skrupellos angesehen werden. „Wir haben Gesetze gemacht und Standards gesetzt, wir haben Virginia Woolf auf den Lehrplan gesetzt, und Dinge bewegt, damit Frauen wissen, dass es okay ist, ihren Träumen zu folgen. Aber es gibt immer noch dieses grundsätzliche Problem, dass Frauen für ihren Ehrgeiz kritisiert werden.“

Kirsten Phillips, eine 28-jährige Masterstudentin an der Universität von New Orleans, sagt: „Sexismus bestimmt die Vorwahlen nicht. Aber es gibt ihn. Man würde sich wünschen, dass die Leute zumindest realisieren würden, dass es sexistisch ist, was sie sagen, aber sie tun es nicht. Sie sind so damit beschäftigt, sich selber auf die Schultern zu klopfen, weil sie einen schwarzen Mann unterstützen: Mann, sind wir cool!“

Vielleicht liegt es an diesem Coolness-Faktor, dass unter gebildeten, liberalen Wählern die Meinung besteht, man müsse für Obama sein, dass er die „progressivere“ Wahl ist. Die Loyalität zu Obama ist wie weiße Männlichkeit selbst zu einem normativen Faktor geworden – wenn man nicht für ihn ist, muss man das ausführlich erklären.

Ashley Johnson ist 21 und studiert in Princeton. Sie erzählt von einem männlichen Bekannten, der sie fragte, ob ihre hypothetische Stimme für Clinton daher rühre, dass sie als Frau eine Frau im Weißen Haus haben wolle. „Dieser Gedanke diskreditiert mich und unterschätzt, wie viele Gedanken ich mir darüber gemacht habe.“ „Wenn ich tatsächlich Hillary wählen würde, wäre dann ein Teil von mir sehr stolz darauf, dass ich für die erste weiblich Präsidentschaftskandidatin stimme?“, fragt Johnson. „Ich kenne keinen Heteromann, der für Hillary stimmt. Und ich kenne viele Frauen, die Obama unterstützen. Ich weiß nicht, ob das so ist, weil sie ihn wirklich unterstützen oder weil sie nicht angegriffen werden wollen, weil sie Frauen sind und zu Hillary neigen.“

Barack Obama sieht seit Dienstag seine Nominierung in „Reichweite“. Bis zum 3. Juni stehen noch drei weitere Vorwahlen an: Puerto Rico, Montana, South Dakota. Danach benötigt er allerdings noch einige Stimmen der Superdelegierten. Hillary Clinton gibt dennoch keinen Hinweis darauf, dass sie aufgeben will. Vielmehr sprach sie nach ihrem Sieg in Kentucky davon, weiter im Rennen bleiben zu wollen, bis ein Kandidat gewählt sei, wer immer „sie“ auch sein möge.

In Kentucky gewann Clinton am 20. Mai gegen Obama mit 65 zu 30 Prozent. Mit 72 zu 21 Prozent erhielt sie dabei die Mehrheit der weiblichen und mit 56 zu 38 Prozent die der männlichen Stimmen. Eine überwiegende Mehrheit erhielt sie auch bei den Wählern der Altersgruppe der über 50-Jährigen, nämlich mit 71 zu 23 Prozent. Barack Obama gewann am selben Tag die Vorwahl in Oregon mit einer Mehrheit von 56 zu 41 Prozent. Er erhielt 91 Prozent der afroamerikanischen Stimmen. Auch bei den männlichen Wählern führte er gegen Clinton mit 57 zu 39 Prozent und bei den weiblichen mit 51 zu 44 Prozent.

Bei Telefonumfragen sagten 20 Prozent der weißen Befragten in Kentucky, dass für sie die Hautfarbe in dieser Wahl eine Rolle spiele. 9 von 10 dieser Befragten wollten Clinton ihre Stimme geben. Im Staat Oregon gewann Obama 60 Prozent der Stimmen von Weißen, von denen nur 10 Prozent behaupteten, dass die Hautfarbe bei ihrer Wahl eine Rolle spielen würde. Während diverse Vorwahlergebnisse vermuten lassen, dass Clinton Schwierigkeiten hat, männliche Wählerstimmen zu bekommen, scheint Obama kein Problem mit weiblichen Stimmen zu haben. Am Super Tuesday hatte er in allen Staaten, in denen er die Vorwahlen gewonnen hatte, auch die Mehrheit der weiblichen Stimmen bekommen, wohingegen Clinton in Staaten, in denen sie die Vorwahl gewann, nicht immer auch die männliche Stimmenmehrheit bekam. Die eigentliche Wahl findet im November statt. Als Kandidat der Republikaner steht bereits der Senator John McCain aus Arizona fest. MAB

„Leute machen sich gerne über Hillary Clinton lustig“, sagt Bruch. „Es sind auch viele bösartige Dinge über Obama gesagt worden, Andeutungen über seine Religion und verschlüsselte Bemerkungen rassistischer Natur.“ Aber Bruch weist darauf hin, dass Obama öffentlich zu veräppeln „heißt, sich in eine riskante Position zu begeben und Teil einer langen Tradition zu werden, die sich über Schwarze lustig macht. „Es ist ein bisschen einfacher, sich über eine Frau lustig zu machen.“

Eine Debatte über Sexismus zu beginnen führt zwangsläufig zu vergleichenden Beobachtungen über Rassismus – ein tragisches, reduktives Nebenprodukt, das entstanden ist, weil in demselben Wahljahr zwei historische Barrieren überwunden worden sind. Viele junge Frauen drücken ihren Ärger darüber aus, dass dieser Wettbewerb überhaupt stattfinden muss. O’Brien erklärt, sie und ihr Freund, ein Afroamerikaner, hätten an einem bestimmten Punkt beschlossen, dass diese beiden Erfahrungen einfach nicht vergleichbar seien. Jessica Valenti beklagt, was sie die „Unterdrückungs-Olympiade“ nennt, und behauptet, dass so nur beide Seiten in ein schlechtes Licht gerückt werden. Amerika ist im Vergleichsfieber. Die Gemüter erhitzen sich um ungeahnter Schnelligkeit über jede einzelne Äußerung. Man denke an die ehemalige Clinton-Beraterin Geraldine Ferraro, die durch ihre Behauptung stürzte, Obama habe Glück, ein Schwarzer zu sein, an Gloria Steinems Hinweis darauf, dass Schwarze vor den Frauen das Wahlrecht erhalten haben, und die Feststellung von Jeremiah Wright, Clintons Pastor, dass Hillary „noch nie ein Nigger genannt worden ist“. Diese Vorfälle erinnern uns daran, dass in der Gleichberechtigungsbewegung oft verschiedene Strömungen gegeneinander ausgespielt worden sind.

In den USA von heute richtet Rassismus in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen weit mehr Schaden für Afroamerikaner an als der Sexismus für Frauen. Dies gilt besonders für weiße, gebildete Frauen, die mit ihren männlichen Gegnern gleichziehen, zwar nicht, was gleiche Bezahlung angeht oder sichere Fortpflanzungsmöglichkeiten, doch zumindest ihre Möglichkeiten, eine Ausbildung zu machen und einen Wunschberuf auszuüben. Und das macht sie für die weiße, männliche Bevölkerung, die seit der Geburt der Nation bis jetzt die unangefochtene Machtposition – sowohl im Weißen Haus als auch in anderen Arbeitsbereichen – innehatte, zu einer bedrohlicheren Gruppe. Diejenigen, die dieses Heer zäher Damen in ihrem Rücken spüren, um Jobs und Lohn konkurrieren und sich weigern, aus dem Rennen auszuscheiden, das sind die gleichen privilegierten weißen Männer, aus denen die Elite der Demokratischen Partei besteht.

Das heißt nicht, dass alle privilegierten weißen männlichen Demokraten sexistisch sind, genauso wenig, wie man sagen kann, dass alle weißen Working-Class-Demokraten rassistisch sind. Aber ein leichtes verstecktes Unbehagen an weiblicher Macht sowie auch die „Wir lieben Frauen, nur nicht diese Frau“-Rhetorik wird jedem bekannt sein, der sich mit der Frauenbewegung beschäftigt hat. Es ist diese Bewegung, für die Clinton emblematisch steht, nicht weil sie ihr Zuständigkeitsbereich ist, sondern weil sie genau die Art von Frau ist, für die der Feminismus den Weg bereitet hat: ambitioniert, gut verdienend, nicht bewandert in der feinen Kunst der Haarpflege und nicht willig, sich für dümmer oder netter zu verkaufen, als sie ist.

Diese Frauen – und diese Bewegung, der sie entsprangen – waren noch nie die Beliebtesten in der Demokratischen Partei, obwohl die männlichen Parteiältesten inzwischen erwachsen genug sind, um zu wissen, dass sie so etwas nicht laut aussprechen sollten. Wenigstens nicht, bis sie sich selber dabei ertappen, Clinton in die Backe zu kneifen oder sie zu beschuldigen, sie würde die Partei zerstören, weil sie in einem Rennen bleibt, in dem sie noch immer konkurrenzfähig ist. Es ist so: Demokraten lieben Frauen, nur nicht solche Frauen, die mit ihrer Fortpflanzungsrechtsbesessenheit an uns kleben bleiben. In diesem Fall ist der Frust auf die alte Liga der Feministinnen nicht unberechtigt: Die Behauptung von Obamamaniacs, dass Frauen für Hillary stimmen, nur weil sie Frauen seien, mag schlimm sein, aber fast genauso schlimm ist es, wenn Altfeministinnen Frauen anweisen, genau das zu tun, und zwar aus einer Art Eierstockveranwortung heraus.

Statt das Ende der Bewegung einzuleiten, könnte dieser Generationsbruch eine gesündere Trennung erkennen lassen. Denn während diese jungen Frauen vielleicht nicht ihre Stimme ändern, und sich nicht von den Worten älterer Feministinnen beeinflussen lassen, gießen sie allerdings auch nicht – wie es einige der älteren Händeringerinnen befürchten – ihren Feminismus mit dem Badewasser aus.

Deswegen liegt im Vorwahlkampf großes Potential: Statt den Untergang der Frauenbewegung einfach zu besiegeln könnte diese Wahl vielleicht eine neue Generation junger Feministinnen hervorbringen. Die brutale Behandlung Hillarys könnte einen neue Frauenbewegung bedeuten. Eine, die nach ihren eigenen Bedingungen handelt, ohne die Stimmen der Steinems und Morgans, die sie überschatten oder herumbossen.

Aus dem Amerikanischen von Mareike Barmeyer

REBECCA TRAISTER, Jahrgang 1975, ist freie Journalistin. Ihr Originalartikel erschien bei Salon.com