Gedenkstättenstiftung ohne NS-Opfer: Opferverbände boykottieren Stiftung

Nazi-Opfer sehen sich durch Gleichsetzung mit den Verfolgten des DDR-Regimes diskriminiert - und nehmen nicht an den Sitzungen der Sächsischen Gedenkstiftung teil.

Fürchten eine "Relativierung der NS-Verbrechen": Salomon Korn und Charlotte Knobloch vom Zentralrat der Juden. Bild: dpa

DRESDEN taz Die Sitzung des Stiftungsrates der Sächsischen Gedenkstättenstiftung fand gestern in Pirna ein weiteres Mal ohne die Verbände der Nazi-Opfer statt. In den neu gewählten Gremien der Stiftung werden ihre Plätze aber weiterhin frei gehalten. "Das Angebot zur Mitarbeit bleibt bestehen", sagte Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD), die zugleich Stiftungsratsvorsitzende ist, der taz.

Bereits Anfang September hatte die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjusitz im Namen der Opferverbände in einer "Leipziger Erklärung" ihre Rückkehr in die Stiftung ausgeschlossen. Vor zwei Tagen bekräftigte Salomon Korn, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, die fortgesetzte Weigerung.

Nach der Verabschiedung des Sächsischen Gedenkstättengesetzes durch die damals allein regierende CDU mit Zustimmung der SPD war es im Januar 2004 zu einem Eklat gekommen. Die NS-Opferverbände kündigten ihre Mitarbeit in der Stiftung, weil sie in der Gleichsetzung von kommunistischer und Nazidiktatur eine "Beleidigung und Diskriminierung" sahen, so der Verband der Verfolgten des Naziregimes VVN. Für den Zentralrat sprach Salomon Korn damals von der Gefahr einer "Analogisierung und Relativierung" der NS-Verbrechen. Kritik an entsprechenden Tendenzen in Sachsen hatte es bereits in den Jahren zuvor gegeben. Das Verhältnis zwischen den Verfolgten des Stalinismus und den NS-Opferverbänden war und ist nachhaltig gestört.

Die Koalitionsvereinbarung der neuen CDU-SPD-Regierung betonte Ende 2004 dann die "Singularität des Holocaust" und setzte sich eine Mitarbeit aller Opferverbände in der Stiftung zum Ziel. Die seit 2006 zuständige SPD-Wissenschaftsministerin Stange kam ihnen jetzt mit einer Satzungsänderung entgegen. Doch der Zentralrat der Juden erkannte "keine grundsätzliche Änderung der Lage" und verlangt eine Gesetzesänderung. Die hält Ministerin Stange in den verbleibenden eineinhalb Jahren dieser Legislatur für aussichtslos. Für sie ist die Absage der NS-Opferverbände ein herber Rückschlag. Besonders enttäuscht habe sie das Kommunikationsklima und die Art der Absage, wobei es bei den Verbänden unterschiedliche Kompromissbereitschaft gab.

Das Gegenstück zu Sachsen findet sich bei der Gedenkstättenstiftung in Sachsen-Anhalt. Hier haben die DDR-Opferverbände ihre Mitarbeit eingestellt, weil die Linke Gudrun Tiedge ihre Mitarbeit im Stiftungsrat nicht freiwillig beenden will. Tiedge schrieb vor 36 Jahren als Abiturientin Stasi-Berichte und war später als Staatsanwältin an Verfahren gegen "Republikflüchtlinge" beteiligt. CDU, SPD und FDP wollen ihre Entfernung nun möglicherweise über eine Gesetzesänderung durchsetzen.

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