schurians runde welten
: Rauchfrei in Motherwell

„It isn‘t over till it‘s over.“ (Rocky Balboa)

Leverkusen heißt auf schottisch Motherwell. Eine Vorstadtstadt mit dekorierten Wohnklötzen, einem Zentrum aus Krankenhaus und Bürgersaal. Dazu zwei Gleise, Reifenhändler, Matratzenläden, Ampeln und Kreisverkehr. In Leverkusen soll man ja auf offenes Feuer besser verzichten wegen der ganzen Chemiewerke. In Schottland herrscht jetzt komplettes Rauchverbot. Der Bann auf alles, was qualmt, macht die Nordbriten sogar stolz. Sie halten sich daran wie an den Linksverkehr, das Schlangestehen und Alles-Frittieren. Selbst in luftigen Fußballstadien wagt es niemand mehr, sich eine Zigarette anzuzünden. Nur nach dem Schlusspfiff schlagen die Verwegenen ihren Jackenkragen hoch, paffen schon vor dem Drehkreuz. Cockney Rebels?

In einigen Jahrzehnten kann ich sagen, ich war dabei, als der Fußball endgültig begradigt wurde. Ich weiß noch, wie sich junge Kerle mit Stahlketten durch Fanblöcke pflügten. Dosenbier gab‘s aus Kühltaschen, dazu ohrenbetäubende Presslufthupen. Damals sorgten Vereinsmanager eigenhändig dafür, dass zum Anpfiff genug bengalisches Feuer brannte. Nach der Halbzeitpause ließen sie einen umsonst rein. Unter den Tribünen wurde Urin abgeschlagen und darüber war es mitunter so eng, dass man leicht die Knie anwinkeln konnte, ohne den Boden zu berühren. Fiel ein Tor, riss es einen Meter tief, dann schwappte man wieder hoch, bierbesudelt auf den Ausgangspunkt.

In der Zivilisation sind uns die Briten voraus. Obwohl es ähnlich sinnlos wäre, einem Pub den Bierausschank zu verbieten, ist es nun auch in den Wirtshäusern komplett rauchfrei. Das hat Folgen: Die Abende werden gesünder und langweiliger. Lange Gespräche können schon deshalb nicht aufkommen, weil irgendwer wieder mal auf der Straße steht zum Rauchen, gerade kaltstinkend zurückkehrt oder einfach nur müde ist. Denn wer nur noch Bier trinkt, dem fehlt die ausgleichende Dosis Nervengift. Ziemlich lange hat die Menschheit am richtigen Drogenmix aus Nikotin und Alkohol experimentiert. Jetzt wird das Jahrhunderte alte Wissen um den richtigen Kick einfach zertrümmert. Schade.

Das Moralproblem der Woche: Sylvester Stallone wurde in Australien mit unerlaubten Mitteln erwischt – nicht Zigaretten, sondern vermutlich anabole Steroide. Nun die Frage: Ist es Doping, wenn ein alternder Filmstar sich mit Chemie in Form bringt? Hat er sich einen Wettbewerbsvorteil erschlichen gegenüber Vin Diesel? Wird der jetzt Rambo IV drehen, weil Sly Stone gesperrt ist? Und: Wann klopfen die von der NADA an meiner Tür: „Eine Urinprobe bitte. Sie haben doch schon wieder geraucht!?“ CHRISTOPH SCHURIAN