BOLIVIENS NACHBARLÄNDER SOLLTEN IM AUTONOMIESTREIT VERMITTELN
: Evo Morales in der Klemme

Man stelle sich vor: Bayern steigt aus dem Länderfinanzausgleich aus und lässt dies vom Wahlvolk absegnen. „Zugereiste“ werden nur noch geduldet. Besonders eifrige Separatisten beschwören einen Alpenstaat, der Ministerpräsident aber bekennt sich nur zu einer „neuen“ deutschen Republik.

Im Osten Boliviens hat die reiche Agrarprovinz Santa Cruz nach ähnlichem Muster ihre Autonomie erklärt, drei weitere Tieflandprovinzen dürften demnächst folgen. Was auf den ersten Blick wie eine Farce anmutet, nimmt mehr und mehr tragische Züge an. Denn das Projekt einer sozial ausgerichteten „Neugründung“ Boliviens, das sich der indigene Präsident Evo Morales auf die Fahnen geschrieben hat, ist in weite Ferne gerückt.

Das erklärt den Jubel der weißen Unternehmer von Santa Cruz. Erneut ist es ihnen gelungen, einen Gutteil der ethnisch durchaus gemischten Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen und den Staatschef in die Defensive zu drängen. Dabei geht es den „Autonomisten“ vor allem um Besitzstandswahrung: Eine Landreform findet bis auf weiteres nicht statt.

Zugleich haben sie im Andenhochland eine Welle der Solidarisierung mit dem linken Präsidenten provoziert. So geschlossen wie derzeit standen die sozialen Bewegungen wohl noch nie hinter Evo Morales. Diese gefährliche Polarisierung wird von außen geschürt: Hugo Chávez gießt immer wieder Öl ins Feuer, die US-Regierung agiert diskreter, aber ebenso entschlossen.

Doch vor allem ist die Krise hausgemacht. Der frühere Gewerkschafter Morales hat seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren wohl allzu sehr auf den indigenen Diskurs gesetzt. Im Ausland kann er damit punkten, im Inland treibt er viele in die Arme der Rechten. Die vom Regierungslager im Alleingang beschlossene neue Verfassung steht unter keinem guten Stern.

Um selbst wieder handlungsfähig zu werden, muss Morales Zugeständnisse machen – den Hardlinern auf beiden Seiten zum Trotz. Vielleicht sollte er jetzt befreundete Nachbarregierungen dazu bewegen, zu einer Verhandlungslösung beizutragen.

GERHARD DILGER