Naturschutz: Der hohe Wert der Arten

Die Zeit, in der Naturschützer als Ökospinner verunglimpft werden konnten, ist vorbei. Der Einsatz für Lebensräume zahlt sich auch wirtschaftlich aus.

Wald bringt Geld: Buchen in Brandenburg Bild: dpa

BERLIN taz Fledermäuse, Feldhamster, Frösche - der Naturschutz ist nur etwas für Liebhaber? Verrückte Artenschützer verhindern die wirtschaftliche Entwicklung einer Region, weil sie den Bau von Autobahnen und Fabriken verhindern? SPD-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel sagt, die biologische Vielfalt zahlt sich wirtschaftlich aus. Das lässt sich mit Beispielen untermauern.

Tiere helfen in der Medizin. Für Salben, die gegen Blutergüsse in Gelenken helfen sollen, werden zum Beispiel jedes Jahr zwei Millionen Blutegel benötigt. Aus ihren Köpfen wird der Wirkstoff mit dem Namen Hirudin gewonnen. Dieser hemmt die Blutgerinnung. So verschwindet der Bluterguss schneller wieder.

Und die pazifische Eibe produziert in ihrer Rinde den Stoff Paclitaxel, der als Krebsmittel wirksam ist. Mittlerweile bauen die Pharmakologen den Stoff auch künstlich im Labor nach. Doch ein Viertel aller Medikamente, die deutsche Ärzte ihren Patienten verschreiben, enthält Natürliches. Aus rund 20.000 Pflanzenarten werden Arzneimittel gewonnen. Die Pharmakonzerne machen mit Arzneimitteln pflanzlichen Ursprungs im Jahr weltweit etwa 20 Milliarden US-Dollar. Biologen und Mediziner glauben, dass sie viele heilende Stoffe noch gar nicht kennen.

Auch die Wälder bringen Geld, allein mit Holzprodukten werden jedes Jahr 200 Milliarden Dollar umgesetzt. Zumeist werden die biologischen Materialien von den Industrienationen vermarktet. Dabei sind die artenreichsten Länder oft die ärmsten, nur werden sie nicht angemessen vergütet.

Der Artenschutz sei viel zu lange nur als etwas Museales verstanden worden, sagte der Göttinger Biodiversitätsforscher Christoph Leuschner der taz - "so wie man den Kölner Dom erhalten will". Wer nicht genau weiß, wie viel ein Regenwald wert ist, wird ihn roden - für die Sojaplantage. Der Nutzen von Tieren und Pflanzen ist noch nicht genau berechnet.

Darum wünscht sich SPD- Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nun einen "Stern-Report" zur biologischen Vielfalt. Der frühere Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern hat vor einem Jahr eine 700 Seiten starke Studie vorgelegt, in der er die Kosten des Klimawandels den Kosten des Klimaschutzes gegenübergestellt hat. Das Ergebnis war eindeutig: Das Zögern beim Kampf gegen die Erderwärmung könnte die Welt teuer zu stehen kommen.

Gabriel ist überzeugt, dass sich auch der Schutz von Arten und Lebensräumen rechnet. Immerhin können Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen Trinkwasser reinigen, Böden lockern und Schädlinge fressen. Nur: 10 bis 30 Millionen Arten soll es auf der Welt geben, bislang sind aber nur 2 Millionen bekannt. Viele Arten sind noch gar nicht entdeckt hat. Und so hat Gabriel derzeit ein Problem, er findet kein wissenschaftliches Institut, das die Studie - "die für Ökonomen eine wirkliche Herausforderung sei", so heißt es - leiten will. Zudem ist die Artenkunde angestaubt; es gibt nur wenige Wissenschaftler, die sich noch damit beschäftigen. Und so existiert zwar ein Weltklimarat, das IPCC; einen Weltartenrat aber gibt es noch nicht. Derweil drängt für den Umweltminister die Zeit: Gabriel will die ersten Zahlen zur UN-Naturschutzkonferenz im Mai 2008 in Bonn vorlegen.

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