Vor dem Grünen-Parteitag: Vorstand auf der Hut vor Basis

Grundsicherung oder Grundeinkommen - vor dieser Frage stehen die Grünen beim Parteitag. Um nicht wieder überstimmt zu werden, hat sich die Parteispitze vorbereitet.

Aufbauarbeiten zum Bundesparteitag der Grünen in Nürnberg Bild: dpa

So etwas passiert selten: Ein CDU-Ministerpräsident fordert die Grünen auf, mit ihm zusammen eine "sozialpolitische Revolution" zu machen. Anlässlich des Grünen-Parteitags unterstützt Dieter Althaus, Regierungschef von Thüringen, die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. "Deutschland braucht den Mut, auch einmal ein großes Rad zu drehen", sagte Althaus der taz. Was kommt nach Hartz IV? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Parteitags, der am heutigen Freitag in Nürnberg beginnt. Zwei Antworten konkurrieren.

Der Bundesvorstand und die gesamte grüne Bundesspitze plädieren für die Weiterentwicklung des bisherigen Systems in Form einer "grünen Grundsicherung". Sie wollen den Hartz-IV-Regelsatz von 347 Euro im Monat auf 420 Euro anheben. Sanktionen gegen Erwerbslose, die zur Kürzung dieser Leistung führen können, sollen weitgehend wegfallen. Außerdem schlägt der Bundesvorstand vor, das deutsche Bildungssystem inklusive Kitas und Horten auf den internationalen Stand zu bringen, um die soziale Ausgrenzung zu reduzieren. Alles zusammen würde rund 60 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Die Befürworter des Grundeinkommens fordern dagegen, dass alle erwachsenen Bundesbürger 420 Euro vom Staat als "Sockelleistung" bekommen sollen. Keiner müsste mehr nachweisen, ob er bedürftig oder zur Erwerbsarbeit bereit ist. Wer Geld verdient, erhielte bis zu einer Steuerbelastung von 420 Euro einen Zuschuss vom Staat als negative Einkommensteuer, darüberhinaus müsste er Steuern ans Finanzamt entrichten.

Sicher ist, dass hinter diesem Modell die grünen Abgesandten aus Baden-Württemberg stehen. Die dortige Landesdelegiertenkonferenz hatte es im Oktober so beschlossen. Und auch viele Mitglieder aus Rheinland-Pfalz unterstützen die Idee des Grundeinkommens, allerdings in einer anderen Variante. Ihr Antrag steht ebenfalls auf der Tagesordnung. Der baden-württembergische Grüne Thomas Poreski, einer der Wortführer für das Grundeinkommen, rechnet mit der Unterstützung "von bis zu 50 Prozent" der Delegierten.

In solch heiklen Grundsatz- und Glaubensfragen sind Grünen-Parteitage traditionell unberechenbar. Bei der letzten Versammlung in Göttingen Mitte September erlebte der Bundesvorstand, dass sein Leitantrag zur Bundeswehr in Afghanistan von den Mitgliedern hinweggefegt wurde. Deswegen haben sich die Vorstände Reinhard Bütikofer und Claudia Roth, die Fraktionsspitzen Renate Künast und Fritz Kuhn sowie Außenpolitiker Jürgen Trittin diesmal besser vorbereitet. Alle unterstützen den Leitantrag des Bundesvorstands für die grüne Grundsicherung.

Um eine Niederlage wie in Göttingen zu verhindern, hat sich vor allem Bütikofer viel Mühe gemacht, die Kritiker einzubinden. Deshalb gibt es im Vorstandsantrag viele Anknüpfungspunkte zum Grundeinkommen. So erwähnt der Vorstand eine "bedingungslose Kindergrundsicherung", die man irgendwann einführen könnte. Auch von einer "Brückenexistenzsicherung" ist die Rede: Man solle darüber nachdenken, ob nicht jeder Bundesbürger für einige Zeit eine Absicherung ohne Bedingungen in Anspruch nehmen dürfe.

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