Protest erreicht sein Ziel: G8-Gruppe vor dem Aus

Dem jährlichen Treffen der mächtigsten Regierungschefs droht kommende Woche in L'Aquila das Ende. Die Protestszene lehnt sich deshalb schon mal zurück.

Vorbereitungen auf den G-8-Gipfel in L'Aquila. Bild: dpa

ROM/BERLIN taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in einer Regierungserklärung indirekt das Ende der G 8 bestätigt. Die führenden Industrieländer könnten globale Probleme wie die Finanz- oder Klimakrise nicht mehr allein regeln könnten. "Ich denke, dass die G 20 das Format sein sollte, das wie ein überwölbendes Dach die Zukunft bestimmt", sagte die Kanzlerin. Die G 8 hingegen werde "in das Format einer Vorbesprechung" hineinwachsen.

Die seit Jahren gegen den G-8-Gipfel protestierenden Globalisierungskritiker dürften am Ziel sein und sich zurücklehnen. Tatsächlich wird die diesjährige Gipfel-Auflage im italienischen L'Aquila nicht protestfrei ableiben. Allerdings werden nicht die Globalisierungskritiker das Straßenbild bestimmen wie noch etwa vor acht Jahren, als in Genua 300.000 GlobalisierungskritikerInnen den größten Anti-G-8-Protest auslösten. Diesmal haben 15 Komitees in L'Aquila zum Fackelzug durch die Innenstadt aufgerufen - um der Opfer des schweren Erdbebens vom 6. April zu gedenken.

Zwar bleibe es richtig, gegen den G-8-Gipfel zu demonstrieren - "auch zwischen den Trümmern und Zeltstädten", sagt Enrico von der Initiative Epicentro solidale (Solidarisches Epizentrum). Die meisten Initiativen vor Ort haben jedoch noch nicht entschieden, ob sie sich den anvisierten G-8-Protesten anschließen. Es gebe genug zu tun, darauf aufmerksam zu machen, dass zehntausende Italiener weiter unter miserablen Bedingungen in Großzelten schlafen müssen und "bisher kein einziger Stein für den Wiederaufbau unserer Häuser in die Hand genommen wurde", sagt Alessandro vom "Komitee 3.32" - benannt nach der Uhrzeit des Bebens.

Als ein "Zeichen der Solidarität" mit der Erdbebenregion hatte Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi Ende April beschlossen, den G-8-Gipfel von der sardischen Insel La Maddalena in die vom Erdbeben heimgesuchte Hauptstadt der Abruzzen zu verlegen. 300 Tote hatte es in L'Aquila und Umgebung gegeben, über 30.000 Menschen sind nach wie vor in Hotels an der Küste untergebracht, etwa 25.000 müssen in den Zeltstädten nächtigen. "Da will ich mal die No-Globals sehen, ob sie zwischen Trümmern und Zeltstädten demonstrieren", hatte Berlusconi unverhohlen verkündet.

Der für die Organisation des G 8 verantwortliche Chef des Zivilschutzes, Guido Bertolaso, gab sich zwar moderater. Luxus werde den Staats- und Regierungschefs in der großen Kaserne der Finanzpolizei, in der sie übernachten und ihre Meetings abhalten, gewiss nicht geboten. Aber auch er verschwieg nicht das eigentliche Motiv: Mit Behinderungen durch Protest rechne er nicht. Und einen Vergleich mit Genua würde er "nicht einmal im Entferntesten ziehen".

Als "zynisch" bezeichnet das Enrico vom Solidarischen Epizentrum. Doch Berlusconis Kalkül scheint aufzugehen. In L'Aquila ist eine Woche vor Beginn des G-8-Gipfels noch immer völlig offen, was es überhaupt an Protesten geben könnte. Das liegt nicht an den Aquilanern - es liegt vor allem daran, dass von der enormen globalisierungskritischen Bewegung wie in Genua nur noch Reste übrig sind. Damals lief die Mobilisierung für Protest und einen Gegengipfel schon Monate vorher an. Hunderte Organisationen hatten sich verbündet - von katholischen Missionsschwestern bis zu Autonomen im Genoa Social Forum.

Diesmal wird es keinen Gegengipfel geben. Und selbst Protestcamps sind noch nicht organisiert. Das liegt wohl an der Einschätzung, die nun sogar Angela Merkel regierungsamtlich trifft: Der G-8-Gipfel hat noch allenfalls das "Format einer Vorbesprechung". Luca Casarini, einer der Hauptorganisatoren der Proteste von Genua, formuliert drastischer: "Der G-8-Gipfel steckt inzwischen in einer Krise."

Ähnlich die Einschätzungen in Deutschland. Nicht einmal die Globalisierungskritiker von Attac halten es noch für nötig, zu den Protesten nach Italien zu mobilisieren. "Mit der globalen Finanzkrise hat sich die G 8 endgültig delegitimiert. Sie ist bedeutungslos geworden", sagt etwa Pedram Shahyar vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. Er rechnet sogar damit, dass der diesjährige G-8-Gipfel der letzte sein wird - so wie auch Kanzlerin Merkel.

Basisgewerkschaften, Umweltschützer und einige andere linke Gruppen in Italien rufen dennoch zu einer Demo am 10. Juli auf. Aber auch sie machen sich keine Illusionen: L'Aquila wird nie und nimmer die Dimension von Genua haben.

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