Last, die Letzte

Der größte Bandleader aller Zeiten: Hansi alias James Last, Erfinder des „Non-Stop-Dancing“ und wohl der international erfolgreichste deutsche Musiker des 20. Jahrhunderts, geht auf Abschiedstournee. Irgendwie. Denn nie wieder auf einer Bühne zu stehen, das mag er auch nicht ankündigen

VON IMKE STAATS

Ohne diese sanft schwappenden Akkordeonklänge fehlt in meiner Erinnerung an die frühen 80er Jahre etwas: Auf NDR 2 gab es eine Sendung, in der sich Bürogemeinschaften ihre Lieblingstitel wünschen durften. Frauen wählten stets „Biscaya“ von William Bookwood, aber immer in der Version von James Last. Genauso wenig kommen 70er-Jahre-Erwachsenen-Feten ohne die „Non Stop Dancing“-Platten aus, auf denen zu den Medleys aus bekannten Melodien die Partygeräusche mit drauf waren. Erfinder dieser und anderer Arrangements heiterer Musik ist der größte Bandleader aller Zeiten: James – eigentlich Hans – Last.

Jetzt verabschiedet sich der „Gentleman of Music“ – mit seiner letzten „großen“ Konzertreise. In Bremen, wo er 1929 als Jüngster einer Großfamilie geboren wurde, hat er gerade gespielt. Hier begann seine Laufbahn. Vater Louis vererbte ihm und seinen Brüdern die Musikalität. Mit etwas anderem hat Hans nie Geld verdient als mit seiner großen Leidenschaft. In klassischer und Marsch-Musik ausgebildet wurde er während der Militärzeit beim Heeresorchester in Bückeburg – eine gestrenge Zeit, in der er sein Faible für den Bass entdeckte. Mit 16 trat er in Nachtlokalen vor amerikanischen Soldaten auf, für Zigaretten und Kaugummis.

Zum Kriegsende erhielt er zusammen mit seinen Brüdern Robert und Werner die erste Anstellung im Tanz- und Unterhaltungsorchester von Radio Bremen. Der Familienbetrieb gründete zusammen mit Trompeter Karl Heinz Becker das Last/Becker-Ensemble, in dem die nun endlich erlaubte Freude am Jazz ausgelebt werden konnte. Die Jazz-Szene kürte Hans 1950 und 1951 zum besten Bassisten, was die Zusammenarbeit mit Stars wie Max Greger, Albert Mangelsdorff und Paul Kuhn einläutete. Seinen ersten E-Bass verkaufte er später an Ladi Geisler aus Bert Kaempferts Orchester. Der erfand darauf den berühmeten Knack-Bass-Sound.

1955 zog Hans wegen eines Engagements im Tanzorchester des NWDR – später NDR – mit seiner Frau Waltraut nach Hamburg. Als Arrangeur arbeitete er mit Caterina Valente und Helmut Zacharias und half einem unbekannten Wiener über das Lampenfieber: Freddy Quinn, dem er 1962 „Junge, komm bald wieder“ arrangierte. Lasts Feuer brannte für die Musik: oft arbeitete er die Nächte durch, entweder beim NDR oder im Heimstudio. 1964 hatte er mit seiner Band den ersten Vertrag mit Polydor, im Jahr darauf erschien die Erste der „Non Stop Dancing“-Partyplatten. Die Idee ging auf: Last selbst hatten die förmlich-steifen Gesellschaften stets gestört, auf denen ein paar diskrete Platten liefen, aber die Stimmung klemmte. Also veranstaltete er während der Aufnahmen zunächst kleine, dann hippe Feste, um die Stimmung gleich mitzuliefern. Das Konzept zog. Den Namen James erhielt er gleichzeitig, wegen der größeren Chancen in Großbritannien – nur hier übrigens ist er bis heute als Hansi Last bekannt.

Ende der 60er begann eine Zeit der „Übergeschwindigkeit“, so Last selbst: Konzertreisen nach Übersee und Jury-Einladungen brachten ihn weit herum. War er nicht unterwegs, arrangierte und komponierte er. Das Konzept „Musik, die jeder kennt, aber ohne Ecken und Kanten“, als Garant für Kurzweil und gute Laune, war international anwendbar. Auszeichnungen häuften sich – die „Silbermöwe“, der Preis des Hamburger Abendblatts für den beliebtesten Künstler der leichten Musik, war bald nur eine unter vielen. 1977 folgte aus den Händen Walter Scheels das Bundesverdienstkreuz.

Privat schien bei den Lasts alles im Lot, Waltraut sorgte für eine Parallelwelt zum Rummel; allein das eigene Tempo ließ Hans oft über den Entwicklungsstand seiner beiden Kinder Caterina und Ronnie staunen. Vieles funktionierte umso besser, weil man sich einiges leisten konnte – und der Spross einer Großfamilie verinnerlicht hatte, dass Teilen die Freude verdoppele. Ein Haus in Fort Lauderdale wurde zum zweiten Heim der Lasts. Sein Orchester und viele befreundete Musiker gehörten zur Familie, die er gern am Wohlstand teilhaben ließ. 1975 baute Last im niedersächsischen Fintel eine Art Freizeitzentrum für Musiker und Freunde, darunter Lindenberg, Waalkes und Maffay.

Auch für ihn als Mann des Radios wurde das Fernsehen immer wichtiger: Inzwischen stand in fast jedem Wohnzimmer ein Gerät, mit dem seine Bigband-Shows zu verfolgen waren. 1979 ehrte ihn die Hörzu mit der Goldenen Kamera. Ein Jahr später kam die 150. goldene Schallplatte. Inzwischen sind es 200. Ein Leben wie eine Dauer-Party.

Während der großen Deutschlandtournee 1997 starb dann seine Frau. Zwei Jahre später, im April, feierte Last in der Londoner Royal Albert Hall in großem Stil seinen 70. Geburtstag. Im Jahr 2000 wurde die erste Platin-Stimmgabel erstellt – eigens, um Lasts Lebenswerk zu ehren.

Dass die derzeitige „LAST Tour“ wirklich die letzte sei, das hat der 77-Jährige zum Auftakt in Zweifel gezogen: Er genieße es, „hier zu sein mit meinen Musikern“, sagte Last. „Und das lasse ich mir auch nicht nehmen.“

„The LAST Tour“ im Norden: 14. 11., Schwerin; 16. 11., Flensburg; 17. 11., Hannover; 18. 11., Hamburg