Der Fall Kurnaz zeigt, wie arrogant viele Parlamentarier sind
: Schwere Beleidigung eines Häftlings

„Schlichtweg absurd.“ So reagierte der Vorsitzende des BND-Untersuchungsausschusses Siegfried Kauder im letzten Herbst auf die Vorwürfe des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz, er sei nach seiner Festnahme in Afghanistan von deutschen Soldaten in einem US-Gefängnis misshandelt worden. Schlichtweg absurd? Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Angehörige der Eliteeinheit KSK wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Schlichtweg absurd war also offenbar vor allem eines: die vorschnelle, arrogante Reaktion des CDU-Abgeordneten.

Das bedeutet nicht, dass die Angaben von Murat Kurnaz der Wahrheit entsprechen. Die Unschuldsvermutung gilt auch für die Soldaten, die jetzt unter Verdacht stehen. Ermittlungen sind kein Urteil, und es gibt keinen Anlass, öffentlich über den Ausgang dieser Ermittlungen zu spekulieren. Zumal die zuständigen Behörden offensichtlich ihre Pflicht tun. Sie lassen sich nicht davon beirren, dass manche Volksvertreter meinen, ein aus Bremen stammender junger Türke, dem schweres Unrecht widerfahren ist, lasse sich folgenlos beleidigen. Denn nichts anderes als eine schwere Beleidigung ist es, wenn jemandem ohne Untersuchung der Fakten ganz einfach unterstellt wird, die Unwahrheit zu sagen.

Die Art und Weise, in der Kauder seine Vorurteile auf dem offenen Markt präsentierte, sagt viel über das geistige Klima im Lande aus. Ebenso wie die – erwiesene – Tatsache, dass ein Bundeswehrsoldat dem Gefangenen in Afghanistan zurief, er habe wohl auf der falschen Seite gestanden. Darum also geht es: ob jemand auf der richtigen Seite steht. Die richtige Staatsbürgerschaft besitzt. Die richtige Religion. Und die richtige Geisteshaltung. Nicht darum, ob jemand eine Straftat begangen hat. Nach allem, was bereits heute feststeht, gibt es im Parlament und in deutschen Behörden viele Leute, die Anlass haben, sich wegen des Falls Murat Kurnaz in Grund und Boden zu schämen. Geheilt werden kann das Unrecht nicht, das ihm widerfahren ist. Aber wenigstens kann der Untersuchungsausschuss nun seine Pflicht tun. Und endlich auf politische Rücksichtnahmen verzichten.

BETTINA GAUS