MIT DEM SERBISCHEN NEIN IST DER UN-PLAN FÜR DAS KOSOVO GESCHEITERT
: Belgrads brillante Taktik

Serbien gewänne im Krieg, verlöre jedoch im Frieden, erklärte einmal der vor dem UN-Tribunal in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagte serbische Extremistenführer Vojislav Šešelj. In Wirklichkeit verhält es sich gerade umgekehrt: Die Balkankriege der 90er-Jahre hat Serbien verloren. Aber die jetzige Führung des Landes hat mit beachtlicher diplomatischer Beharrlichkeit ihre Position gegenüber der Weltgemeinschaft gefestigt.

Vor allem die Taktik von Premier Vojislav Koštunica ist brillant. Die vor Jahresfrist begonnenen Verhandlungen über den Status des Kosovo verschleppte er erfolgreich durch ständige Nachforderungen. Dann ließ er die Serben über eine Verfassung abstimmen, die jede Regierung des Landes verpflichtet, an der Krisenprovinz festzuhalten. Mit der Ausschreibung von Neuwahlen und der seit diesen andauernden Verhandlungen über eine Regierungsbildung wurde weitere Zeit gewonnen. Und mit der Entscheidung des Belgrader Parlamentes vom Donnerstag, den UN-Plan abzulehnen, ist Koštunica persönlich nicht mehr für das Scheitern verantwortlich zu machen.

Mit Russland als Vetomacht im Rücken braucht Serbiens Noch-Premier nicht einmal mehr eine negative Resolution des Weltsicherheitsrates zu fürchten. Der UN-Plan ist gescheitert – und die Perspektive für eine friedliche Entwicklung im Kosovo versperrt. Russland noch ins gemeinsame Boot zu holen, ist nicht mehr realistisch. Und weil die Vereinten Nationen keinen Plan B entworfen hatten, ist auch die Hoffnung dahin, die UN aus dem Kosovo zurückziehen und das Feld der EU überlassen.

Wie schon oftmals seit Beginn der Krise in Jugoslawien vor 16 Jahren scheint sich die internationale Gemeinschaft auch jetzt in den eigenen Widersprüchen zu verheddern. Angesichts des Auseinanderdriftens europäischer und amerikanischer Interessen in Bezug auf die Kriege in Afghanistan und im Irak ist nicht einmal auf eine vom gesamten Westen getragene diplomatische Offensive im Kosovo zu hoffen. Koštunica hat das gnadenlos ausgenützt. Doch ob seine Politik den langfristigen Interessen seines Landes – der Integration in das vereinte Europa nämlich – dient, ist mehr als fraglich. ERICH RATHFELDER