Mehr als nur eine Band

Art-Pop-Band und Pop-Art-Gruppe: Chicks on Speed im Hafenklang  ■ Von Karen Schulz

Die Chicks On Speed sind ein Phänomen: Kaum eine in Deutschland beheimatete „Independent“-Band hat wohl in den vergangenen Monaten so viel Aufmerksamkeit bei angesagten britischen Magazinen gefunden wie sie – und nicht nur bei solchen über Musik. Denn die Chicks machen keinen Hehl daraus, dass Musik für sie nicht allein selig machend ist.

Die drei Künstlerinnen – die Amerikanerin Melissa Logan, die Australierin Alex Murray-Leslie und die Deutsche Kiki Moorse –, die sich an der Münchner Kunstakademie getroffen haben, gestalten neben der Musik auch ihre Kostüme, die CD-Cover, ihre fabelhafte Website (www.chicksonspeed.com), haben ein eigenes Label für ihre CDs und nehmen, last not least, an unterschiedlichsten Ausstellungen und Kunstprojekten teil. „Es ist langweilig, nur Musik zu machen“, erläutert Chick Melissa Logan. „Es ist schon gut, aber wir müssen nicht wahnsinnig produktiv sein, eine Platte nach der anderen rausbringen.“

Trotzdem sind die Chicks On Speed recht rührig: Parallel zur aktuellen CD Chicks On Speed Will Save Us All! erschien eine Bootleg-Version mit dem Titel The Un-Releases in limitierter Auflage. Letztere enthält neben den Musiktracks auch Textversatzstücke, ist experimenteller, während erstere „kompatibler ist, die kann man sich auch im Designbüro anhören, während man am Rechner sitzt“, charakterisiert Melissa Logan – und fügt hinzu, dass erst die Kombination aus beiden wirklich repräsentiert, was die Chicks On Speed sind.

Dieser Tage in die Geschäfte kommt außerdem Chix 52, eine Hommage an die B-52's mit drei Coverversionen und einem B-52's-inspirierten Chicks-Song. Und damit sind wir mitten im Thema: Die Chicks haben eine ganz eigene Art der Musikproduktion. „Anfänglich waren da nur Coverversionen und Playback, also total anti-Musik, reduziert. Die Kreativität daran war, dass ein Lied zu schreiben und zu spielen, überhaupt nicht präsent war. Das hat uns dann gelangweilt - wir haben nicht immer Stücke gefunden, die wir covern wollten, sondern müssen die selber schreiben“, erklärt Melissa Logan. Die Stücke entstehen in Kooperation mit verschiedenen Produzenten - auf stets unterschiedliche Art und Weise, doch immer mit einem gut Teil Input anderer, wie die eindrucksvolle Liste der Mitwirkenden auf den CD-Covers verdeutlicht.

Begonnen haben die Chicks On Speed u.a. mit einer Performance, die den DJ-Mythos unterwandern wollte: Die Musik kam vom Band, während die drei Chicks an gefaketen Plattentellern rumspielten, um dann „I wanna be a DJ, Baby“ ins Mikro zu hauchen. Mittlerweile ist der Sprung in die Musikszene vollzogen, die Chicks haben sich vom Performance-Projekt hin zu ihrer Version einer veritablen Band entwickelt. Dazu gehört auch die bereits eingespielte Peel-Session, die vielleicht noch in diesem Jahr in die Plattenläden kommt, sowie eine neue CD im nächsten Jahr, für die die Chicks sogar einige recht kommerziell klingende Songs aufgenommen haben, wie Melissa verrät.

Hört man allerdings ihre Musik an – oder besucht das morgige Konzert im Hafenklang im Rahmen des espressiva-Festivals –, drängt sich der Gedanke auf, dass mit „kommerziell“ nicht wirklich kommerzielle Musik gemeint sein wird: Das Soundgemisch aus Elektro, Pop, Techno und New Wave der bisher vorliegenden Tonträger sowie die Kunstprojekte, die die Musik begleiten und einrahmen, weisen einen anderen, sehr eigenständigen Weg – den zu verfolgen sicherlich nicht langweilig werden wird.

Freitag, 21 Uhr, Hafenklang