Braunes Chamäleon täuscht Schulte

■ Innensenator Schulte (CDU) schießt auf Bundesebene gegen die NPD und kennt im eigenen Ländle die höchsten Kader nicht / Kreisvorsitzender sollte Schnuppertag im Innenressort machen

Die Innenminister und -senatoren der Länder beraten heute in Berlin über ein Verbot der rechtsextremen NPD. Auch Bremens Innensenator Bernt Schulte (CDU) vertritt die Meinung, dass die NPD verboten gehört, weil sie ihre verfassungsfeindlichen Positionen „eindeutig kämpferisch-aggressiv“ vertrete und wird zustimmen. Dumm nur: Ausgerechnet Schulte höchstpersönlich hat vor gerade mal sechs Wochen dem zweitwichtigsten NPD-Funktionär in Bremen, dem NPD-Kreisvorsitzenden Michael Kurzeja, auf einer CDU-Veranstaltung angeboten, als Praktikant einen Tag lang den Alltag des Senators zu verfolgen. Hautnah. Erst zwei Wochen später merkte man, wen man sich da ins Haus geladen hatte.

Es war der 12. September im BSV-Vereinsheim in Walle: Die örtliche CDU hatte zum Plausch mit dem Senator geladen. Mindes-tens 30 Menschen lauschen in dem Saal den Senatoren-Statements zu Graffiti, Drogendealern und Asylbewerbern. Unter den Gästen: Ein Trupp von fünf NPDlern, zwei Männer, drei Frauen. Neben dem 23-jährigen Kurzeja saßen auch der stellvertretende niedersächsischen Landresvorsitzende der NPD-Jugendorganisation JN, Florian Cordes, und drei junge Frauen.

Ohne ihre Zugehörigkeit zur rechtsextremen Partei zuzugeben, aber auch ohne den eigenen Namen zu verschweigen, mischte sich Kurzeja aktiv in die Diskussion mit ein, erinnern sich anwesende CDU-Politiker wie der Waller Beiratsmann Rolf Surhoff oder der Bürgerschaftsabgeordnete Karl Uwe Oppermann. Warum werde Dealern nicht das Handwerk gelegt, wollte er wissen, erinnert sich Oppermann. Surhoff berichtet, Kurzejas Gruppe habe eine aktive Rolle in der Veranstaltung übernommen. „Die waren modern angezogen. Keine Glatzen oder so“, sagt Surhoff. Nicht „scharf rechts, aber konservativ“ seien die Statements gewesen, sagt Oppermann.

Am Ende der Veranstaltung ging Schulte einen Schritt weiter. Kurzeja hatte sinngemäß gesagt, Politiker hätten von den Problemen auf der Straße keine Ahnung. Schulte konterte: Ob er Interesse hätte, einen Tag seinen Politiker-Alltag zu begleiten. An das Schulte–Angebot können sich auch Oppermann und Surhoff erinnern. Die CDU-Pressesprecherin Yvonne Stolzenberg nahm eine falsche Adresse und die richtige Handy-Telefonnummer des Rechten auf.

„Ich ging davon aus, dass das Publikum aus interessierten CDU-Mitgliedern und -Sympatisanten bestand“, sagt Schulte heute. Inhaltliche Übereinstimmung mit den Äußerungen habe es nicht gegeben, „aber ich ging auf ihn ein, weil ich ein freundlicher Mensch bin“. Auf seinen Vorschlag „ich lade sie mal ein, sich anzuschauen, was ich den ganzen Tag so mache“, habe es Beifall im Saal gegeben.

Wenige Tage später klingelte bei dem Rechten Kurzeja das Handy. „Ich habe ihn angerufen“, sagt Schulte offen. Zur Debatte stand, ob Kurzeja am 12. oder 13. Oktober den Senatorenalltag als Tagespraktikant begleitet. Vorgeschlagenes Programm: morgens Bürgerschaft, mittags Sitzungen, Am Donnerstagabend Theaterpremiere oder am Freitag Freimarktseröffnung im Bierzelt. Kurzeja wählte den 12. Oktober.

Erst am 26. September machte es im Innenressort „Klick“: Auf diesen Tag ist die schriftliche Absage des Treffens datiert. „Sehr geehrter Herr Kurzeja“, schreibt Schulte-Referent Matthias Cramer, „als Sie im Rahmen einer Informationsveranstaltung der CDU an Herrn Senator Dr. Schulte herantraten, hatte er sich bereit erklärt, Ihnen ein Gespräch am 12. Oktober zu ermöglichen. Es ist nunmehr bekannt geworden, dass Sie die Funktion des Kreisvorsitzenden der NPD bekleiden. Vor diesem Hintergrund, den Sie bei besagter Informationsveranstaltung nicht offen dargelegt hatten, hat mich Herr Senator Dr. Schulte gebeten, den Termin mit Ihnen abzusagen.“

Entsprechende Mitlauf-Angebote, sagt Schulte, mache er zwar nicht monatlich, aber häufiger. Die Idee gehe auf eine Initiative zurück, junge Leute durch persönlichen Kontakt an Politik zu interessieren. Mit Mitgliederwerbung habe das nichts zu tun: „Wenn ich als Senator an einer Veranstaltung teilnehme, mache ich keine CDU-Akquisition“, sagt Schulte. cd