Eine Legende ist tot

Josef Felder, der letzte Reichstagsabgeordnete, verstarb im Alter von 100 Jahren.Der Sozialdemokrat stimmte im März 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis

BERLIN taz ■ Vor zehn Jahren, an seinem 90. Geburtstag, hatte Josef Felder zwei Wünsche geäußert:

Er wolle 100 Jahre alt werden und bis dahin erleben, dass wiederum ein Sozialdemokrat Bundeskanzler wird. Beides ist für Josef Felder in Erfüllung gegangen. Erst im August hatte die SPD in Bayern seinen 100. Geburtstag gefeiert und bei dieser Gelegenheit die seit 1995 verliehene Felder-Medaille an zwei Künstler vergeben. Der Jubilar selbst konnte da schon nicht mehr den Feierlichkeiten beiwohnen: zu gebrechlich war er. Noch vor drei, vier Jahren allerdings hatte er seine Erfahrungen in Schulen und Akademien geschildert. Felder war eine Legende, eine, die mit jedem Lebensjahr wuchs. Denn der Ehrenvorsitzende der bayerischen SPD war der letzte noch lebende Reichstagsabgeordnete. 1932 hatte er den Wahlkreis Oberbayern-Schwaben für seine Partei gewonnen. Seine Gegner auf der Nazi-Liste hießen: Hitler, Göring und Frick. Die düsteren Jahre des Nationalsozialismus waren es, die Felder bis zuletzt umtrieben. Noch im hohen Alter stellte er sich immer wieder die Frage, wie die Machtergreifung hätte verhindert werden können, ob SPD und Gewerkschaften nicht zu lange gezaudert und gezögert hatten.

Am 23. März 1933 hatte Felder zu jener Minderheit der SPD- Abgeordneten (die Kommunisten waren allesamt schon verhaftet) gehört, die trotz Einschüchterung in der Krolloper in Berlin, dem Ausweichquartier nach dem Reichstagsbrand, dem Ermächtigungsgesetz der Nazis ihre Zustimmung verweigerten. Nach dem Verbot der SPD floh Felder aus Deutschland. 1934 kehrt er jedoch aus Sehnsucht nach seiner Familie zurück, wird verhaftet und ins KZ Dachau geschickt. 1936 holt ihn ein Freund seines Bruders, der Münchner Sportartikelhersteller Willy Bogner, als Buchhalter in sein Geschäft. Felder unterschreibt im KZ eine Erklärung, nie mehr politisch tätig zu sein, und wird freigelassen.

Nach dem Krieg setzen ihn die Amerikaner als Lizenzträger und Chefredakteur des Südostkurier in Bad Reichenhall ein, anschließend wird er für drei Jahre Leiter des SPD-Parteiorgans Vorwärts. Von 1957 bis 1969 vertritt er seine Partei wieder im Parlament – diesmal im Bundestag. Josef Felder, der gelernte Buchdrucker, verstarb am Wochenende in seiner Münchner Wohnung. Die Bundesrepublik will für Felder in den nächsten Tagen einen Staatsakt ausrichten. S. WEILAND