Klage wegen Tabakschmuggels

EU will Schadenersatz von US-Zigarettenkonzernen. Millionengewinne ohne Risiko für manche Exporteure

BRÜSSEL taz ■ Michaele Schreyer, Kommissarin für Finanzen und Betrugsbekämpfung, ließ gestern nur eine knappe Pressemitteilung verteilen: „Die Kommission hat jetzt ein Zivilgerichtsverfahren gegen die Unternehmen Philip Morris und RJ Reynolds eröffnet, und zwar wegen ihrer vermutlichen Beteiligung am Zigarettenschmuggel in die EU.“

Bereits im Juli hatte die Kommission diesen Schritt angekündigt und die jährlichen Einnahmeausfälle bei Zöllen, Verbrauchs- und Mehrwertsteuer durch illegal in die EU gebrachte Zigaretten auf zwei Milliarden Euro geschätzt. Schreyers Sprecher Luc Veron hatte damals gesagt: „Wir wollen unser Geld zurück.“ Die Kommission kann allerdings nur auf Schadenersatz für die entgangenen Zölle und den ihr zustehenden einprozentigen Mehrwertsteueranteil klagen. Wie hoch sie diesen Schaden einschätzt, darüber schweigt sich die Brüsseler Behörde aus.

Die Größenordnung lässt sich aber aus dem ersten Jahresbericht ersehen, den die neue EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF jüngst vorlegte. Darin wird der Schaden beim Betrug mit Eigenmitteln – also Zöllen – und beim Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf 190 Millionen Euro beziffert, von denen der Löwenanteil auf Zigarettenschmuggel entfalle. Fraglich ist aber, ob das New Yorker Gericht die Schuldzuweisung der Brüsseler Beamten einleuchtend findet. Würden die Konzerne genau prüfen, welche Zwischenhändler sie beliefern, wäre Schmuggel in dieser Größenordnung unmöglich, argumentiert die Kommission. Tatsächlich aber lieferten die Tabakhersteller in den europäischen Freihäfen an dubiöse Exporteure, die die Ware nach Osteuropa schafften und von dort illegal wieder in die EU einführten. An jedem Container sparten sie eine Million Euro Zölle und Steuern – Profitmargen wie beim Drogen- oder Menschenhandel, aber weniger riskant. Denn Zigarettenschmuggel wird nur als Steuerhinterziehung geahndet.

Auf bis zu 30 Prozent Marktanteil schätzen Experten die Schwarzmarktware in Großbritannien, in Italien sollen es 20 Prozent sein – Tendenz steigend. Denn das Land ist wegen seiner langen, schwer zu überwachenden Küste und seiner Nachbarschaft zur Schweiz ein Paradies für Zigarettenschmuggler. Die Eidgenossen weigern sich bislang, den Brüsseler Betrugsbekämpfern Amtshilfe zu leisten. Im Schweizer Strafrecht kommt Schmuggel nämlich als Straftatbestand gar nicht vor.

DANIELA WEINGÄRTNER