Verfechter einer Gelehrtenrepublik

Karl Markus Michel, Altlinker, Idealist, Hegel-Fachmann, Mitherausgeber des „Kursbuchs“, starb 71-jährig in Berlin

Er war ein Mann der eleganten, schnellen, scharfen, gewitzten Feder; als Lektor, Redakteur und Herausgeber war er zudem ein Organisationstalent, ein Arbeitstier, jemand, auf den man setzen konnte, der in der Lage war, gewaltige Textmengen zu bewältigen und wegzuschaffen.

Er brachte diese Fähigkeiten bereits mit, als er 1962 Mitarbeiter des Suhrkamp Verlages wurde. Man kennt ihn vor allem als Redakteur des Kursbuches, das er – ohne Unterbrechung – von 1965 bis heute betreute und seit März 1971 auch als Mitherausgeber gestaltete. Viele seiner Beiträge sind später in Buchform erschienen, darunter seine Essays über „Die sprachlose Intelligenz“ (1968).

Bei Suhrkamp war Karl Markus Michel der richtige Mann zur richtigen Stunde, verantwortlich für die „Reihe Theorie“. Es war nicht immer einfach, sehr unterschiedliche Persönlichkeiten wie Hans Blumenberg, Jürgen Habermas, Dieter Henrich, später Niklas Luhmann auf ein gemeinsames Programm zu verpflichten. Karl Markus Michel war ein Mann mit Spürnase, der vorzügliche Kontakte nach Frankreich besaß und dort Namen wie Claude Lévi-Strauss, Roland Barthes oder Michel Foucault gewinnen konnte. Neben dem expandierenden Theorie-Programm organisierte er die Theorie-Werkausgaben und stemmte zum Hegel-Jahr 1970, zusammen mit Eva Moldenhauer, die bis heute zitierfähige Hegel-Werkausgabe in zwanzig Bänden.

Selbst in den späten Sechzigerjahren, als auch die Lektoren des Suhrkamp Verlages von ihrem Chef mehr Mitbestimmung forderten, mit ihrer Forderung scheiterten und auszogen, war auf ihn Verlass. Er blieb bis 1974, bis die Vertrauensbasis zwischen Verleger und Lektor erschöpft schien. Man trennte sich, wie es sich gehört: freundschaftlich.

Wofür stand Karl Markus Michel politisch ein? Der vorzügliche Kenner der großen Enzyklopädisten war ein Kritiker verkrusteter Strukturen, ein Altlinker und Idealist, Verfechter einer Gelehrtenrepublik, in der die Intellektuellen den allgemeinen Willen artikulieren. Ein Aufklärer und Aufgeklärter, der auch die Verführbarkeit der Intellektuellen sah. Deshalb setzte er mehr und mehr auf die Kraft des Widerspruchs, in der sich der Intellekt – nach Emile Zolas Vorbild – immer wieder aufs Neue zu bewähren hatte. Karl Markus Michel war in der alten und in der neuen Bundesrepublik ein Zeichen dafür, dass der Weg aus der Barbarei gelingen kann. Am Mittwoch starb er 71-jährig in Berlin. LUTZ HAGESTEDT