Die nächste Flut ist unvermeidbar


von KORDULA DOERFLER

Wasser. In Afrika gilt es als Segen. Wenn es regnet, dankt man den Göttern. Sintflutartige Regenfälle jedoch haben im gesamten südlichen Afrika auch in diesem Jahr wieder hunderttausende obdachlos gemacht: knapp 100.000 in Mosambik, mehrere 10.000 in Simbabwe, mehr als 300.000 in Malawi, weitere 30.000 in Sambia.

In Mosambik ist das Wasser zum Fluch geworden. Genau wie vor einem Jahr, als während der schlimmsten Hochwasserkatastrophe der Geschichte ganze Landstriche in einer stinkenden braunen Brühe versanken, haben sich einige Regionen in eine riesige Seenplatte verwandelt. Kniehoch schwappt das Wasser des Sambesi durch die Ortschaften der Überschwemmungsgebiete Mosambiks. Obwohl die Pegelstände nach Wochen endlich sinken, bedeckt der braune Schlamm nach wie vor weite Teile des Mündungsdeltas.

Lehmhütten lösen sich einfach auf

Der Sambesi, einer der großen Flüsse Afrikas, konnte die Wassermassen nicht mehr fassen. Im Tiefland von Mosambik sind die Folgen dramatisch. Anders als vor einem Jahr, als vor allem der Süden des Landes betroffen war, sind es diesmal die mittleren Provinzen Tete, Sofala, Manica und Sambesia, die die Flut verschluckt hat. In einem der ärmsten Länder der Welt leben Menschen auf von der Außenwelt abgeschnittenen Inseln, ihre Lehmhütten lösen sich einfach auf.

Die mosambikanischen Behörden haben sich diesmal bemüht, schneller zu reagieren. Während man vor einem Jahr alle Rettungsaktionen ausländischen Helfern überließ, ist jetzt auch die eigene Armee im Einsatz. Nur haarscharf ist das Land einer erneuten Katastrophe entkommen. Das belegen schon die Zahlen. Letztes Jahr starben im Hochwasser mehr als 700 Menschen, hunderttausende wurden obdachlos. In diesem Jahr liegt die Zahl der Toten bislang bei 75, rund 100.000 haben ihre Häuser verloren.

Zu einem guten Teil ist das Hochwasser hausgemacht, wenn auch nicht allein von Mosambik verschuldet. Starker Regen im Februar ist im südlichen Afrika an sich nicht ungewöhnlich. In guten Regenzeiten wie der diesjährigen treten dann die großen Flüsse, die aus dem hoch gelegenen Binnenland des Subkontinents nach Osten fließen, unausweichlich über die Ufer. Eine vorausschauende Planung und ein Management der Wasserreserven aber finden in Mosambik ebensowenig statt wie in der gesamten Region. „Wir haben nicht die Mittel für langfristige Prognosen“, klagt Mosambiks Umweltminister John Kachamila.

Immerhin hat die Regierung von Joaquim Chissano diesmal die Nachbarländer frühzeitig gebeten, die Schleusen am Oberlauf nicht einfach wieder aufzumachen. Die Hilferufe aus Maputo verhallten jedoch erneut ungehört. Simbabwe und Sambia öffneten ihre Schleusen ohne Vorwarnung bereits im Januar, nachdem es dort schon vor Weihnachten ununterbrochen geregnet hatte.

Der Sambesi entspringt in Sambia und durchläuft auf 2.660 Kilometer ein riesiges Staudammsystem, den Karibasee – durch den die Grenze zwischen Sambia und Simbabwe verläuft – und den Cahora-Bassa-See kurz hinter der mosambikanischen Grenze, ehe er hunderte von Kilometern weiter in den Indischen Ozean mündet. Sind die Staudämme kurz vor dem Überlaufen, hilft nur noch eines: Wasser ablassen. Dann aber tritt ein fataler Dominoeffekt ein. Je mehr Wasser aus dem Kariba-See läuft, desto weiter muss auch die Cahora-Bassa-Schleuse geöffnet werden.

Die Hilferufe aus Maputo verhallten

Derzeit donnern dort mehr als 8.000 Kubikmeter pro Sekunde in die Talsperre. Flussabwärts sind die Folgen verheerend. Bis zu 50 Kilometer breit ist der Sambesi angeschwollen, eine Fläche von 10.000 Quadratkilometern steht unter Wasser. Das entspricht einer Fläche so groß wie halb Hessen.

Zumindest der Karibasee ist in der Region kaum umstritten, produziert er doch seit mehr als 40 Jahren billigen Strom. Schon 1959 nahmen Simbabwe und Sambia den Staudamm gemeinsam in Betrieb. Der Sambesi wurde auf 300 Kilometer Länge zu einem der größten künstlichen Seen der Welt aufgestaut. Selbst die kritische World Commission on Dams befand in einer Studie, dass der Stausee überwiegend positive Folgen hatte. Sein Hauptzweck war, billigen Strom zu produzieren und damit die Entwicklung der beiden armen Länder zu fördern. Das ist gelungen. Zugleich entwickelte sich der neue See zu einem attraktiven Tourismusziel.

Die Folgen für das ökologische Gleichgewicht indes waren weniger positiv und sind bis an die Mündung zu spüren. Der Cahora-Bassa-Stausee, ein unnützes Fossil aus der Zeit ungebrochener Technikhörigkeit, hat die Probleme noch potenziert. Der natürliche Rhythmus von Dürreperioden mit wenig Wasser und Überschwemmungszeiten wurde für immer unterbrochen. Die Folge: Die bettelarmen Kleinbauern am Unterlauf halten sich nicht mehr an die seit Jahrhunderten befolgte Regel, nicht zu nah am Fluss zu siedeln. Kommt jetzt eine Flut, versinken ihre Behausungen im Wasser.

Dazu kommt, dass die Regierung Mosambiks die Flüsse nicht wartet. Der Sambesi wird von subtropischer Vegetation überwuchert, das Wasser sucht sich immer neue Wege außerhalb des ursprünglichen Flussbetts. Als die Nachbarstaaten Simbabwe und Sambia im letzten Jahr ihre Dämme öffneten, war die Katastrophe in Mosambik perfekt.

Aus dem Desaster hat die Region leider wenig gelernt. Eine Koordination der betroffenen Länder findet bis heute nicht statt, obwohl alle Mitglieder der Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC) sind. Aber der Staatenverbund existiert nur auf dem Papier.

Die Behörden der beiden Stauseen haben keinerlei Kommunikation. Zwar sind sie kaum mehr als 200 Kilometer von einander entfernt. Dazwischen aber liegen Kontinente. Das koloniale Erbe hat zu grotesken Verhältnissen geführt. Der Karibasee gehört den Regierungen von Simbabwe und Sambia gemeinsam, die Zentrale für den Cahora-Bassa-See aber ist im 10.000 Kilometer entfernten Lissabon. Selbst Telefonverbindungen zwischen den einstigen britischen Kolonien Sambia und Simbabwe und dem ehemaligen Portugiesisch-Ostafrika gibt es bis heute kaum.

„Wasser herzugeben ist schwer“

Da hilft es auch wenig, dass die SADC allerlei imposant klingende Institutionen geschaffen hat. Dazu gehört auch die Wasserbehörde Water Sector Coordinatory Unit (WSCU) mit Sitz im Zwergstaat Lesotho. Deren Ziele lesen sich schön. Vor allem die von mehreren Staaten genutzten Wasserläufe will man besser managen und Richtlinien für Krisen entwickeln. Für das riesige Sambesibecken, in das Flüsse aus einem Dutzend afrikanischer Staaten münden, wurde gar ein eigenes Projekt eingerichtet. Doch außer einigen Papieren mit hochtrabenden Formulierungen hat die regionale Wasserbehörde bislang kaum etwas zustande gebracht. „Die meisten unserer Projekte sind derzeit noch im Stadium von Ideen“, räumt sie selbst in einem Bericht ein.

Auch auf politischer Ebene finden keine Absprachen statt. Simbabwes Präsident Robert Mugabe und sein sambischer Kollege Frederick Chiluba haben derzeit Wichtigeres zu tun, als sich um Hochwasser zu kümmern. Beide kämpfen um ihr politisches Überleben und scheren sich nicht um den armen Nachbarn im Osten.

Mit wenigstens marginalen Abstimmungen aber wären Katastrophen leicht zu vermeiden. „Wir kennen den Ablauf der Jahreszeiten sehr gut und können mit Computersimulationen auch genau berechnen, wie viel Wasser in den Stauseen sein wird“, sagt der Wasserexperte Brian Davis von der Universität von Kapstadt. Ihm ist vollkommen unverständlich, warum kein Land mit Ausnahme von Südafrika solche Langzeitprognosen erstellt. Dann nämlich, so der Professor, könnte man rechtzeitig – vor Beginn der Regenzeit – die Schleusen öffnen. „Unsere Katastrophen sind leider zu einem großen Teil von Menschen verursacht“, resümiert er.

Im südlichen Afrika, das immer wieder Dürrejahre durchmacht und ohnehin insgesamt eine trockene Gegend ist, stößt Brian Davis damit auf taube Ohren. Auch Mosambiks Umweltminister John Kachamila räumt ein, dass man von einer „Dürrementalität“ geprägt sei: „Wasser freiwillig herzugeben, ist für einen Afrikaner sehr schwer.“