Die schnellste Mouse im Wendland

■ Die Homepage indymedia.org hat sich zur aktuellsten Infoquelle entwickelt

Dienstag, 19.15 Uhr: Acht Mitglieder von Greenpeace haben sich an die Gleise gekettet. Zwanzig Minuten später ist die Nachricht im Netz. Aber nicht bei der Deutschen Presse Agentur oder Reuters – sondern unter www.de.indymedia.org. Diese erst neun Tage junge Homepage ist seit Freitag die schnellste und vollständigste Informationsquelle im Wendland. „Wir kommen aus der Bewegung“, erklärt „Redakteur“ Daniel Dietrich. Der 28-Jährige humpelt die Treppen des weißen Indymedia-Bauwagens auf der Infowiese in Dahlenburg herunter. „Die Bullen haben mich gestern auf den Schienen ziemlich hart angepackt.“

Auf Indymedia kann jedeR Texte, Fotos, Videos und Tonmaterial veröffentlichen. Allerdings gibt es eine „eingeschränkte Moderation“ durch die RedakteurInnen: Sie lesen jeden Text gegen, sexistische oder rassistische Artikel wandern ins „Müllarchiv“. Außerdem bietet Indymedia ein verschlüsseltes Kommunikationsforum, auf dem die AktivistInnen ihre Aktionen koordinieren können. Dietrich: „Da kann nicht mal der BND ran.“

So weiß das „unabhängige Medienzentrum“ schon von Blockaden, die noch gar nicht stattgefunden haben: Keine Agentur kann mit dieser Aktualität konkurrieren. Darauf ist Dietrich stolz: „Welches Medium kann es sich schon leisten, 300 Korrespondenten vor Ort zu haben?“

Den Bauwagen mit den Computern dürfen wir nicht von innen sehen. „Was da abläuft, ist intern“, wehrt Dietrich ab. Intern ist zuweilen auch die Sprache: „Bullen bepisst euch“ würde wohl keine gewöhnliche Presseagentur titeln. Journalistische Objektivität beanspruchen die Indymedia Schreiber nicht: „Die gibt es auch gar nicht“, meint Dietrich.

Indymedia ist eine weltweite Organisation, die zum WTO Gipfel in Seattle gegründet wurde. Seit vorigen September gibt es das Netzwerk, zunächst noch ohne Homepage, auch in Deutschland. Der Castor-Protest ist der erste große Einsatz – und auch die professionellen JournalistInnen greifen inzwischen auf die Homepage zurück. Denn Mittwoch um 16.58 Uhr rollt bei Indymedia – und am Bahnhof Dahlenburg - der Castor schon wieder. Auf allen anderen Internetseiten steht noch, er stehe noch. Michaela Soyer