Manntje, Manntje, Timpe Te

In „Bye Bye Baby“ erzählt die britische Rockkritikerin Caroline Sullivan von ihrer Liebe zu den Bay City Rollers

BCR – das war diese Seventies-Boygroup mit den notorischen Schottenkaros auf ihren Hochwasserhosen. Die hatten ein paar Hits, aber wie hießen die doch gleich? Ein Buch über die Bay City Rollers, das kann nur etwas zum Lachen sein. Ein Retrospaß. Niemand weiß das besser als die Autorin selbst, Caroline Sullivan, Rockkritikerin beim britischen Guardian. „Nein“, räumt sie ein, „Leslie, Eric, Woody, Alan und Derek, die bedauernswerten Milchbubis, waren niemals cool.“ Und doch: „Ich habe sie verzweifelt geliebt“, gesteht sie. „Vier Jahre lang lebte ich nur für sie. Dies ist keine hübsche Geschichte.“ Das ist nichts als die Wahrheit. Denn „brüllend komisch“, wie das Rückcover verheißt, ist „Bye Bye Baby“ eigentlich nicht. Eher schon ein faszinierender Gang durch die Hölle der Adoleszenz.

Sullivan ist siebzehn, als die Rollers 1976 in ihr Leben treten – und damit eigentlich schon ein wenig alt für eine Teenieband. Doch als die Musikbegeisterte aus Millburn, New Jersey, die Schotten zum ersten Mal im US-Fernsehen erlebt, ist es um sie geschehen. In den nächsten vier Jahren wird sie jeden US-Besuch, der die Rollers auch nur irgend in ihre Nähe verschlägt, verfolgen. Zunächst allein, bald in Begleitung von Mitinfizierten.

Die „Tacky Tartan Tarts“ werden den Musikern auf Flugplätzen, vor Hotels und an Hinterausgängen auflauern, sie werden ihnen per Auto und per Flugzeug nachjagen, an Hoteltüren lauschen, öde Nächte auf Parkplätzen verbringen – und immer wieder angesichts der obskuren Objekte ihrer Begierde von einer seltsamen Erstarrung ergriffen werden. Am Ende werden ein paar von ihnen ihren Wünschen näher gekommen sein – und deutlich desillusioniert.

Zum Glück hat Caroline Sullivan ihre alten Tagebücher nicht weggeworfen. Nur so, ausgestattet mit O-Tönen und dem Erkenntnisinteresse einer Forscherin, kann sie sich und ihre Leser zwingen, den Blick auf all die Peinlichkeiten des Erwachsenwerdens zu richten, auf die staunenswerte Gleichzeitigkeit von Tagträumerei und bereitwilliger Selbstverleugnung – und auf die nur langsam und schmerzhaft einsetzende Fähigkeit, mit Zurückweisungen zu leben.

Ob es sich bei den angehimmelten Stars nun um die Rollers oder die Rolling Stones handelt, ist bestenfalls eine Frage des Tons. Sullivans Ironie gegenüber BCRs musikalischer Dürftigkeit unterstreicht nur die Abgründigkeit ihrer einstigen Leidenschaft. Da hat es etwas Rührendes, dass in Großbritannien einige (männliche) Fans schäumten, Sullivan würde die Rollers ja gar nicht mögen . . .

Deren „tragische Liebesaffäre“ übrigens nahm noch eine kuriose Wendung. Eine überschwängliche Courtney Love meldete sich bei der Autorin und kaufte ihr die Filmrechte an der Story ab. Es hieß, Love selbst (36) beabsichtige, den Teenager Caroline auf der Leinwand zu spielen; Leonardo DiCaprio sei als einer der Rollers-Darsteller im Gespräch. Auch Originalroller Leslie McKeown witterte Morgenluft: Sollte es nun doch noch mit der Verkultung und dem finanziellen Nachruhm klappen? Im Film jedenfalls wünscht er sich, von Keanu Reeves dargestellt zu werden. Manntje, Manntje Timpe, Te.

REINHARD KRAUSE

Caroline Sullivan: „Bye Bye Baby“. Aus dem Englischen von Clara Drechsler, Argon Verlag, Berlin 2001, 234 Seiten, 29,90 DM