Nach der Pflege ist die Rente dran

Das Pflegeurteil des Bundesverfassungsgerichts kann erst der Anfang sein, sagt Exverfassungsrichter Kirchhof. Er fordert, Müttern eine Rente anzurechnen, als hätten sie pro Kind 2.000 Mark verdient. Auch soll das Kindergeld auf 1.000 Mark steigen

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof will, dass Leistungen für Familien mit Kindern massiv erhöht werden. Dazu forderte er am Sonntag eine eigenständige Rente für Erziehungsleistungen. Außerdem solle das Kindergeld binnen weniger Jahre auf 1.000 Mark pro Kind erhöht werden. Paul Kirchhof, der sich im Südwestrundfunk äußerte, war 1987 bis 1999 Richter am Bundesverfassungsgericht und hat dabei viele Grundsatzurteile, vor allem im Steuerrecht, auf den Weg gebracht. Auch die Anfang 1999 veröffentliche Entscheidung zur Familienbesteuerung stammt aus seiner Feder. An der Umsetzung – Erhöhung der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes – arbeiten Bundesregierung und Bundestag heute noch. Insofern dürfte auch seine Interpretation der jüngsten Entscheidung zur Pflegeversicherung große Beachtung finden.

Wie das Verfassungsgericht will auch Kirchhof, der als Rechtsprofessor an die Uni Heidelberg zurückkehrte, die Leistung von Eltern („wir brauchen diese Leistung dringlicher als jede andere“) in der Sozialversicherung stärker honorieren. Bei der Rente will er allerdings weniger an den Beiträgen, sondern vor allem an den Leistungen ansetzen. Eine Mutter müsste seiner Ansicht nach so gestellt werden, „als hätte sie für jedes ihrer Kinder, das sie ordnungsgemäß erzieht, 2.000 Mark Lohn bekommen und davon die entsprechenden Beiträge abgeführt“. Bei drei Kindern ergäbe sich so immerhin ein fiktiver Monatsverdienst von 6.000 Mark mit einer entsprechend hohen Rente. Heute muss ein Mutter dagegen elf Kinder groß ziehen, um hieraus wenigstens eine Rente in Höhe der Sozialhilfe zu erhalten.

Finanzieren will Kirchhof seinen Plan durch eine nicht näher konkretisierte „Umverteilung“ bestehender „Besitzstände“. Weitreichende Vorschläge macht Kirchhof auch für die Umsetzung „seines“ Urteils zur Familienbesteuerung. Ein Kindergeld in Höhe von 1.000 Mark pro Kind hält er für „langfristig“ erforderlich. Mit der Annäherung an diesen Wert sollte die Politik aber sofort beginnen, um dann schon in „fünf, sechs Jahren“ am Ziel zu sein. Kirchhof macht dabei deutlich, dass der Gesetzgeber nicht nur die vom Verfassungsgericht explizit geforderten Steuerfreibeträge umsetzen muss, „denn eine Steuerfreistellung hilft dem, der nicht genügend Einkommen hat, gar nichts“. Vielmehr müsse der Staat, so Kirchhof, auch einkommenschwache Familien befähigen, „ihren Kindern eine gewisse Chancengleichheit zu geben“.

Wie weit Kirchhof mit seiner 1.000-Mark-Forderung der aktuellen Debatte voraus ist, zeigen andere Wortmeldungen vom Wochenende. So forderte etwa Heinz Hilgers, der Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds, eine Erhöhung des Kindergelds „für Kinder aus ärmeren Familien“ auf 500 Mark. Erwartet wird von der rot-grüne Bundesregierung aber lediglich eine Erhöhung für die ersten beiden Kinder von heute 270 auf dann 300 Mark Kindergeld pro Monat. Bis 1998 lag es bei 220 Mark.