Schwarzes Leder, schlechte Zähne

Blaupause des Punk: Joey Ramone, der New Yorker Sänger und Rock-’n’-Roll-High-School-Krieger ist tot

Wieso so einer nun gerade an Krebs sterben musste. Natürlich ist diese Krankheit furchtbar, wen auch immer sie trifft. Aber dass sie sogar Joey Ramone geschafft hat!

Krank sah der Sänger der Ramones schon zu Lebzeiten aus. Von Anfang an. Nach Punkrock eben, nach Rock ’n’ Roll, nach New York, also noch eine Stange metropolitaner als der britische Punkrock, nach einem, auf den alle Klischees passen wie die Niete auf die Lederjacke: Vor dem haben die Eltern einen gewarnt, der steht nie vor Mittag auf, trägt immer Sonnenbrille, ist dünn wie ein Gitarrenhals, blass wie ein Gespenst, isst nur Pizza und kleine Mädchen zum Frühstück. Hat er ja schließlich selbst gesungen, in „Rock ’n’ Roll High School“: I just want to have some kicks / I just want to have some chicks.

Aber das war natürlich cool as fuck, wie Joey Ramone, der in Wirklichkeit Jeffrey Hyman hieß, damals in New York loslegte. Im ersten Punkrock-Club der Stadt, dem CBGBs, 1974: Alle Bandmitglieder mit diesen komischen, rausgewachsenen Pony-Mod-Frisuren. Jeans, Lederjacke, Sonnenbrille, zerrissene T-Shirts, Bass, Gitarre, Schlagzeug – und dann los. Einer brüllt „Ah ah ah ah!“, das war stets die einzige Ramones-kompatible Art und Weise, einen Song einzuzählen, und dann anderthalb, höchstens zwei Minuten Gitarrengekloppe.

Auf der Bühne sah man währenddessen nur diese blauschwarze, lange, dünne Männermasse: Joey, Johnny, Dee Dee und Tommy, alle mit demselben Nachnahmen und Gesichtsausdruck. Teenage Lobotomy. Die Stücke klingen irgendwie alle gleich. Was einerseits an „original“ Rock ’n’ Roll erinnert, an andere Teenage-Helden wie Chuck Berry, der sich auch sein ganzes musikalisches Leben lang an einem Song abgearbeitet hat, aber an was für einem!! Und andererseits schlicht für eine geradlinige, alles verwehrende Punk-Attitude steht: Well I’m against it. (1978).

Die Ramones waren anders als die britischen Punker, denen man deutlich die Hippie-Vergangenheit ansah, die trotz ähnlicher Haltung und der Absage an die Aussage eine ganze Szene unterhielten. Die Ramones waren stumpfer, lauter, prolliger und künstlicher. Vor und mit ihnen waren die Stooges, Alice Cooper und MC5, nach ihnen alles bis hin zu Offspring und Green Day. Aber sie waren das Blueprint.

In dem Allan Arkush-Film „Rock ’n’ Roll High School“ von 1979, in dem die Vince Lombardi High School wegen eines verbotenen Ramones-Konzerts einen Aufstand anzettelt, spielt Joey natürlich sich selbst: Er stakst pizzafressend und übellaunig durch das Bild und die feuchten Träume der Protagonistin wie eine Leiche – die Totalverweigerung des All-American-Dreamboy. Der Albtraum-Boy. Sogar seine Zähne sind schlecht.

Für Joey Ramone war Punk auch im wirklichen Leben eine Einstellung, keine Frisur. „It’s within“, sagte er vor ein paar Jahren in einem Interview, da hatten sich die Ramones schon aufgelöst, Joey arbeitete an Solo-Projekten und wollte einen Club eröffnen.

Nett soll er ja trotzdem gewesen sein, ziemlich gutmütig, mit dreckigem, beziehungsweise schmuddeligem Humor. Pia Zadora fragte er für das Spin-Magazin einmal, ob sie ihren Millionärs-Ehemann auf Tour betrügen würde und wann sie ihre Unschuld verloren hat. Sie konterte clever, sie könne sich nicht erinnern, es sei zu lange her.

Joey Ramone wäre am 16. Mai 50 Jahre alt geworden, er starb am Ostersonntag in einem New Yorker Krankenhaus, in dem er seit März behandelt wurde, an Lymphdrüsenkrebs. Seine E-Mail-Adresse lautete übrigens: Gabba1234.@aol.com.

JENNI ZYLKA