Graue Wolken

Dies ist München und nicht Berlin: Die Instrumentalband Couch haucht mit ihrem Album „Profane“ dem totgesagten Genre Postrock neues Leben ein

„Gerade wegen ihrer relativen Einfachheit sollen die Songs auch ein wenig tricky sein“

von MICHAEL SAAGER

Um es mal astrologisch zu formulieren: Für Postrock stehen die Sterne derzeit schlecht, sie standen nie schlechter. Selbst wenn Tortoise ein spannenderes, weniger fusionslastiges Album vorgelegt hätten, wen hätte das noch interessiert?

Ungeachtet dessen erschien dieser Tage „Profane“, das vierte Album der Instrumentalband Couch. Die Band gibt es seit acht Jahren. Die ersten fünf agierte man als Trio, bestehend aus Michael Heilrath (Bass), Jürgen Söder (Gitarre) und Thomas Geltinger (Schlagzeug). Auf dem letzten Album „Fantasy“ (1999) stieß Stefanie Böhm mit ihrem Keyboard dazu und ist seitdem nicht mehr wegzudenken.

Couch waren von Anfang an Teil der lokalen Landsberger und Weilheimer Szene mit ihren Labels Payola und dem Vertrieb „Hausmusik“. Sie selbst wohnen heute nur noch in der Nähe dieser beiden Kleinstädte, in der Sperrstunden-Metropole München. Und sie wissen sehr genau, dass alle Welt mittlerweile nach Berlin schielt, um nicht gleich mit dem Möbelwagen dem Trend zu folgen. Aber wenn man nicht viel auf Hypes und Hysterien gibt, warum sollte man dann mitgehen?

„Mittlerweile wohnt ja sowieso halb Weilheim hier“, meint Jürgen Söder. Außerdem gehe es in München gelassener zu: „Es gibt hier keine Popstars und das Geraune um sie herum. Das ist sehr angenehm und scheint mir in Berlin doch anders zu sein.“

Was Couch vor allem umtreibt, ist die Transformation am Reißbrett – in diesem Fall: am Computer – vorentworfener Ideen in Energie, materialisiert in dichten Songs, die, so Heilrath, „ihre Spannung bis zum Ende halten müssen“. Und Söder sekundiert: „Uns liegt sehr viel an dieser spezifischen Form von Intensität, die stets um den Entladungs- oder Ausbruchspunkt herum spielt. Anders gesagt: Wir wollen unsere Zuhörer niemals entlassen. Wir wollen ihnen gerade nicht die Möglichkeit geben, aus dem Song auszusteigen.“ Tun sie auch nicht. Erst recht nicht auf „Profane“, ihrem bisher entschlossensten und dichtesten Album.

Von ihrer Liebe zu vertrackten Rhythmen, geschult am Gestus amerikanischer Post-Hardcore-Bands, haben sie sich endgültig verabschiedet. Die ätherischen Momente, die auf ihrem letzten Album „Fantasy“ aufschimmerten, sind nach wie vor von Bedeutung, erscheinen aber nunmehr innerhalb neu eingestellter Soundparameter: Oberste Prämisse ist eine Straightness, die von Songanfang bis zum Ende selten mehr als eine, dann aber von allen Seiten wohl durchdachte Idee verfolgt. Durch minimale strukturelle Veränderungen bewegen sich die Stücke dabei im Modus der Wiederholung auf einem deutlich höheren Niveau als früher, von einem Spannungsplateau zum nächsten. Gleichzeitig wirken viele Songs wie mit einer Schippe Dreck beworfen: immer etwas holprig, immer einen Tick zu langsam für synchrone Bewegungen zuhörender Körper.

„Natürlich sind die Verschleppungen geplant“, meint Heilrath. „Gerade wegen ihrer relativen Einfachheit und Geradlinigkeit sollen die Songs halt immer noch ein wenig tricky sein.“

Couch wissen, dass man von ihnen eigentlich ein luftigeres, vielleicht um einige elektronische Aspekte angereichertes Album erwartet hätte. Sie wissen, dass „Profane“ das Gegenteil von hip ist: Es glitzert nicht, schließlich wollen sie selbst als Band auch nicht silbern schimmern. Klar, dass ihnen ein ostentativer Gebrauch von Posen und Gesten bei Live-Auftritten eher suspekt ist. Dass sie sich so um die Möglichkeit bringen, Werbeagenturen zu beschallen, wissen sie. Dass ihnen das egal ist, macht sie nur um so sympathischer.

Couch: „Profane“ (Kitty-Yo/Kollaps)