zwischen den rillen
: Männer, die es bringen, und Männer, die es nicht bringen: Neue Alben von Destiny’s Child und Janet Jackson

Erst leben, dann überleben

Nennen wir es das große Drama: Der Preis des Erfolgs. Jahrelang saßen vier Mädchen zu Hause und probten. Beyoncé, Kelly, LaTavia und LeToya. Sie waren elf Jahre alt, sie wurden zwölf, sie wurden sechzehn – irgendwann gibt Mathew Knowles, der Vater von Beyoncé, seinen Job auf und fängt an, das Quartett zu managen. Destiny’s Child sind geboren. Sie bringen ein Album heraus, ein Hit schafft es, weltweit in die Charts zu kommen. Das ist nun gerade einmal vier Jahre her, und trotzdem nennen Destiny’s Child ihr drittes Album bereits „Survivor“. Was ist passiert?

Zunächst wurde ein Traum wahr: Anstatt als One-Hit-Wonder in die Annalen der Geschichte einzugehen, wurden Destiny’s Child die erfolgreichste afroamerikanische Girl Group ever. Sie verkauften Millionen von Platten, koppelten aus ihrem zweiten Album fast so viele Singles aus wie Michael Jackson damals aus „Thriller“. Über das, was dann passierte, gehen die Versionen auseinander – und welches die richtige ist, darüber streiten diverse Anwälte.

Die einen sagen, sie seien aus der Band gemobbt worden. Der Vater von Beyoncé habe seine Tochter in den Mittelpunkt stellen wollen und deshalb LaTavia und LeToya hinausgeworfen – er habe sogar deren Mütter aus dem Tourbus verbannt, um sie zu demoralisieren. Die andere Seite sagt, die beiden seien untalentiert und nicht bereit gewesen, hart zu arbeiten. So etwas zehrt. Jahrelang singt man mit seinen besten Freundinnen, dann ist man auf dem Gipfel des Ruhms und der vertraute Zusammenhang wird zerstört. Und auch die Nachfolgerin der beiden Geschassten hat mittlerweile Beyoncés Vater verklagt. Wenn sie in Interviews nach ihrer Zeit bei Destiny’s Child gefragt wird, sagt sie, es sei sektenhaft gewesen, es gebe nur Freund und Feind, und wer sich nicht der Kontrolle von Vater Knowles entziehe, gehöre zum feindlichen Lager.

Im Grunde ist all das nichts Ungewöhnliches, funktioniert die afroamerikanische Popmusik doch seit jeher über die Verbindung eines Familienzusammenhangs mit der Plattenindustrie. Doch Destiny’s Child waren etwas Besonderes. Nicht nur durch ihren futuristischen Sound – sie waren auch die Gruppe, die im Zentrum eines bestimmten Genres standen: Mädchen singen davon, dass ihre Typen es nicht bringen, sondern sie nur ausnutzen und deshalb schleunigst verschwinden sollen. Jedes ihrer Stücke handelte davon, sich von Jungs nichts bieten zu lassen. Und ausgerechnet die lassen sich von ihrem Manager dominieren? Beyoncé, die Leadsängerin, gar von ihrem Vater? Sollte das tatsächlich so sein, dann ist es auf „Survivor“ gut kaschiert. „Independent Women“ ist ein gelungener Update ihres Images. Das Stück klingt zwar nicht mehr ganz so zukunftszugewandt wie noch die Stücke der letzten Platte, aber der Futurismus in der Musik gehört fürs Erste ja sowieso der Vergangenheit an.

Das Album ist eher Konsolidierung auf hohem Niveau. Hier und da noch einer der berühmten Holperbeats, ein paar Harmoniegesänge, zu guter Letzt ein Gospelmedley. Und als wollte sie der Welt und allen, die ihr Böses wollen, beweisen, dass sie nicht nur Tochter ist, gibt es auf dem ganzen Album nur ein Stück, das Beyoncé nicht mindestens mit geschrieben und mit produziert hätte. Executive Producer der gesamten Platte ist trotzdem ihr Vater.

Wahrscheinlich muss man sich Mathew Knowles so ähnlich vorstellen wie Joe Jackson, Ahnherr des Jackson-Clans, Manager der Jackson Five und Vater von Janet Jackson. Nur dass Janet nach zwei Platten, die sie auf Wunsch ihres Vaters aufnahm, die Flucht ergriff und ihre Solokarriere jenseits der Familie aufbaute.

„All For You“ ist nun ihr fünftes Soloalbum, und nachdem Jackson sich nacheinander den Themen kreative Kontrolle, Hunger und Ungerechtigkeit in der Welt, Frausein und der Einsamkeit des Superstars gewidmet hat, muss sie sich nun zum ersten Mal der Familie stellen. Nicht der ihrer Eltern allerdings, nicht der, die sie einst verließ, sondern ihrem Exmann, dem Mann, der sie verließ. All die Jahre war sie verheiratet, niemand wusste es.

„All For You“ handelt vom Singlesein. Davon, dass Erfolg die Männer, die man möchte, so einschüchtert, dass man sie nicht bekommt. Musikalisch ist das zwar weniger aufregend als die Alben aus ihrer Vergangenheit, eine Form des Survivals ist es jedoch allemal.

TOBIAS RAPP

Destiny’s Child: „Survivor“ (Sony);Janet Jackson: „All For You“ (Virgin)