Püppi-Alarm!!!

Rote Bäckchen, schönes Kleidchen: Eine hoch begabte Frankreichfreundin moderiert die Puppenverkaufshow bei HOT und interpretiert wie Picasso

Sogar die gewieftesten VielguckerInnen, die abgebrühtesten MedienredakteurInnen, die kritischsten TV-PessimistInnen werden hin und wieder von einer Fernsehsendung überrascht. Die Puppenverkaufsshow auf dem Shopping-Channel HOT (seit heute „home shopping europe“) ist so eine. Man kann kaum drüber hinwegzappen.

Denn da sitzt eine junge Frau mit Haaren wie ein Rauschgoldengel, Augen wie von einer Barbiepuppe und einer Stimme wie eine Märchenerzählerin, und redet über Puppen. Stun-den-lang. Meistens thront eine der zu vertickenden Sammlerpuppen auf ihrem Schoß, und die blendende Erscheinung scheint beim Reden ein wenig mit ihr zu spielen. Fährt mit den perfekt manikürten Händen durch die Puppenhaare, die Kamera geht nah heran, und die Märchenstimme fabuliert: „. . . und die roten Bäckchen, als ob sie ein wenig draußen im Schnee gespielt hat . . .“.

Die Puppentante heißt Barbara Steinberger und . . . she’s a doll. Sie hat ihr Abi mit 1,0 gemacht und bekam danach ein Stipendium der Bayerischen Hochbegabtenförderung. Sie studierte Germanistik auf Lehramt, lehrte in Caen in der Normandie und machte zwei französische Hochschulabschlüsse. Und trotz allem bon vivre, trotz eines Rufs an die Sorbonne, trotz Gott in Frankreich zog sie es vor, zurück nach Deutschland zu gehen, um Puppen zu verkaufen. Bei einem Arte-Casting habe sie „Blut geleckt“, was die Arbeit vor der Kamera betrifft, sagt die 36-Jährige, die beim Sprechen so lächelt, dass man es sogar durch das Telefon sehen kann. Der Kultursender wollte sie dann doch nicht, aber HOT wollte. Für den Ismaninger Shopping Channel, der den lieben langen Tag versucht, SofahockerInnen gern auch mal völlig absurde Produkte unterzujubeln (Nähpulver zum Beispiel – klingt wie ein Scherzartikel), spielt die Hochbegabte nun aus Leidenschaft mit Puppen.

„Ich bin eine Sammlerin. Ich habe um die 70 bis 75 Puppen. Sie bevölkern bei mir ganze Räume.“ Vermutlich sitzen und liegen die Püppis in ihren schönen Kleidchen auf den vielen Wälzern über Geschichte und Politik, denn „privat habe ich noch viele andere Facetten, zum Beispiel interessiere ich mich sehr für Politik“. Und sie bastelt ein wenig an einer Karriere als Schauspielerin.

Ein ungewöhnliches Talent hat sie schon mal: Barbara Steinberger kann „ganz unterschiedliche Stimmungen und Charaktereigenschaften“ aus den kleinen, allerliebst nylonbewimperten Plastikkindergesichtern lesen. Als Vorbereitung für die Show versucht sie, „möglichst viel über die Puppen zu erfahren, was die Kostüme bedeuten, aus welchen Epochen sie stammen“, und, wenn es Künstlerpuppen sind, „herauszubekommen, was der Künstler aussagen wollte“. Sie interpretiert eine Puppe im putzigen Kleidchen mit runden Bäckchen quasi genauso wie andere einen Picasso. Bemerkenswert.

Provision kriegt Frau Steinberger, die auf der Straße von ihren Fans („Frauen, aber auch erstaunlich viele Männer“) ab und an schon erkannt wird, und die für ein Puppenfachblatt mit dem schönen Namen Dollami schreibt, übrigens keine. Noch bemerkenswerter. JENNI ZYLKA