Es brauchte keinen Kontrolletti

Die deutschen geisteswissenschaftlichen Auslandsinstitute sollen unter dem Dach einer Stiftung zusammengeführt werden. Doch Edelgard Bulmahns Umstrukturierungspläne stoßen bei den Direktoren der Häuser auf Widerstand. In dieser Woche treffen sich die Ministerin und die Historiker in Berlin

Oder wird durch die Zusammenführung die Unabhängigkeit gestärkt?

von BRIGITTE WERNEBURG

Ohne große Zeremonie wurde am letzten Montag die Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom wieder eröffnet, die zwei Jahre wegen Sanierungsarbeiten geschlossen war – und es wurde Arnold Esch, seit dreizehn Jahren Direktor des Instituts, in den Ruhestand verabschiedet. Eigentlich hätte der renommierte Gelehrte die Geschäfte interimsmäßig weiterführen sollen. Das jedenfalls war ein Wunsch aus dem Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF), nachdem der Frankfurter Mediävist Johannes Fried, der für die Nachfolge Eschs vorgeschlagen war, die Position abgelehnt hatte.

In einem Akt eindeutiger Parteinahme hatte es sich Die Zeit nicht nehmen lassen, die Begründung seiner Ablehnung abzudrucken. Denn, so viel Sensation muss sein, ausschlaggebend für seine Entscheidung soll die von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn angedachte Neustrukturierung der geisteswissenschaftlichen Auslandsinstitute sein. Das betrifft die Deutschen Historischen Institute in Rom, Paris, London, Washington und Warschau sowie das Kunsthistorische Institut in Florenz, das Institut für Japanstudien in Tokio und die Orientinstitute in Beirut und Istanbul. Im Falle von Rom, Florenz und Paris Bulmahns Ministerium direkt unterstellt, im Übrigen von verschiedenen öffentlich finanzierten Stiftungen getragen, sollen sie in einer Stiftung zusammengefasst werden. Der Effekt sei evident, so Fried, er hieße Zentralisation, „Politisierung, straffere Abhängigkeit von den wechselnden Mehrheiten der Politik“.

Freilich erfolgte Edelgard Bulmahns erster Vorstoß, die geisteswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in ihrem Geschäftsbereich zu restrukturieren, gerade in Reaktion auf die Erfahrung politischer Abhängigkeit. Als sie vor einem Jahr davon sprach, „verkrustete Strukturen, die Seilschaften befördern“, reformieren zu wollen, geschah das in Anschluss an den Streit um Horst Möller und das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ). Dessen Direktor hatte anlässlich der Verleihung des Konrad-Adenauer-Preises der nationalkonservativen Deutschland-Stiftung an den emeritierten Historiker Ernst Nolte die Laudatio gehalten. Dies wurde allgemein als ein mittlerer Skandal empfunden, Nolte hatte 1986 mit seiner These von der nationalsozialistischen Judenvernichtung als Reaktion auf die stalinistischen Massenmorde den Historikerstreit ausgelöst. Vom Historiker Helmut Kohl bei der Nachfolge des 1989 gestorbenen IfZ-Direktors Martin Broszat als Wunschkandidat nach langem Zwist durchgesetzt, gehört Horst Möller zu jenen Geschichtswissenschaftlern, die – vom Kanzler kräftig befördert – die berühmte geistig-moralische Wende auch in der deutschen Zeitgeschichtsforschung einleiteten. Zum Zeitpunkt des Vorfalls war ein Drittel der – durchweg konservativen – Professoren des Wissenschaftlichen Beirats mehr als zwölf Jahre dabei, einer brachte es auf 38 Jahre. Nach den Richtlinien sollten Beiräte dieses Amt jedoch nur vier, maximal acht Jahre ausüben. Man könnte also der Ministerin zu Gute halten, es sei der Wunsch, die politische Einflussnahme zurückzudrängen, der den Anstoß gab, hier umstrukturieren zu wollen. Doch bislang werden ihr nur unstatthafte Machtgelüste und dem von ihr eingesetzten Münchener Historiker Winfried Schulze nicht minder unstatthafte Karriereabsichten auf den Vorsitz des zu schaffenden Stiftungsrates unterstellt.

Nun muss man umgekehrt die Bedenken, die Arnold Esch gegen die Pläne anführt und die zu seiner höflichen, aber bestimmten Absage an die Ministerin führten, die Geschäfte weiterzuleiten, nicht gleich beiseite schieben. Doch dessen Verdacht der unnötigen Bürokratisierung einer bisher offenbar unkomplizierten Kommunikation zwischen den Instituten und dem Ministerium und einer ebenso unnötigen Drangsalierung der Direktoren in ihren Leitungskompentenzen – den auch der Direktor des Pariser Instituts Werner Paravincini teilt – entlastet nicht vor berechtigten Fragen zur Organisationsstruktur der Institute. Die Wissenschaftlichen Beiräte, die die Einrichtungen in ihren Forschungsunternehmungen beraten und legitimieren, sind dank des Rechts auf Selbstergänzung und der Möglichkeit der unbefristeten Wiederwahl, eine recht hermetische Angelegenheit. Allgemein gesprochen, hat das Procedere ihrer Zusammensetzung in den letzten Jahren nicht dazu geführt, dass junge Historiker besonders zum Zuge gekommen und junge, neue Forschungsansätze besonders gefördert worden wären. Schaut man sich die Beiratslisten an, fällt auf, dass etwa Horst Möller allein in vier Beiräten vertreten ist, und das Gleiche gilt für Hans-Peter Schwarz, Ordinarius für Politikwissenschaften an der Universität Bonn, Klaus Hildebrand, Professor für Mittlere und Neue Geschichte an der Universität Bonn, sowie Lothar Gall, Historiker an der Uni Frankfurt. Diese Wissenschaftler, die Johannes Willms noch im letzten Jahr in der Süddeutschen Zeitung als „Mandarine aus der Ära Kohl“ bezeichnete, sind nicht nur als politisch konservativ bekannt, das Urteil gilt auch für ihre wissenschaftliche Arbeit.

Schaffen die neuen Strukturen straffere Abhängigkeiten und Zentralisation?

Das heißt nun nicht, die auswärtigen geisteswissenschaftlichen Institute leisteten schlechte Arbeit. Im Gegenteil hatte der Wissenschaftsrat, der letztes Jahr, übrigens unter dem Vorsitz von Winfried Schulze, die Häuser evaluierte, ihre Leistung als ausgezeichnet bewertet. Er hatte dabei auch festgestellt, dass sich die „differenzierten Organisationsstrukturen und Rechtsformen der einzelnen Institute in der Vergangenheit bewährt“ hätten. Insofern mag man die Bestürzung bei den Betroffenen über die plötzliche Kehrtwendung verstehen.

Dazu kommt, dass manche Vorstellung über den übergeordneten Stiftungsrat tatsächlich misstrauisch stimmen kann. So werden dem Stiftungsrat nicht nur administrative, sondern auch forschungsrelevante Kompetenzen zugeschrieben, etwa bei der Organisation von Tagungen, der Einwerbung von Drittmitteln, der Kooperation mit anderen Instituten und der Nachbetreuung von Stipendiaten und Mitarbeitern. Gleichzeitig ist im Entwurf von einer zeitlichen Begrenzung der Mitgliedschaft im Stiftungsrat erstaunlicherweise nicht die Rede. Überhaupt hat das Ministerium auch in diesem übergeordneten Kollegium einer nur privat genannten, natürlich aber staatlich finanzierten Stiftung das letzte Sagen: „In Fragen der Satzungsänderung, des Haushalts, der Ernennung der Direktoren und des dauerhaft tätigen wissenschaftlichen Personals ist die Zustimmung des Vertreters des BMBF erforderlich“, heißt es in den Ausführungen zum Stiftungsrat.

Wenn die Politik die Legitimität von Forschung in schärferer Weise nachfragt als früher, dann muss sie selbst um größtmögliche Transparenz ihrer Entscheidungen bemüht sein. Dann müssen Umstrukturierungsvorhaben verständlich und wohlbegründet sein. Wäre der zukünftige Stiftungsrat für die Geisteswissenschaftlichen Auslandsinstitute richtig organisiert, brauchte es aus der Logik der Sache heraus wohl keinen Ministerialbeamten, der den Kontrolletti macht. Die Direktoren, Winfried Schulze und die Ministerin haben alle Grund, die Angelegenheit noch einmal gründlich zu prüfen.