DIE GRÜNEN SIND AUF DEM WEG ZU EINER GERECHTEREN FAMILIENPOLITIK
: Harte Politik, kein Kinderspiel

Kleinkinder sind eine unersetzliche Requisite für Deutschlands jüngste Regierungspartei: Kein Grünen-Parteitag ohne die häkelnde Mutter, an deren Brust ein Kind nuckelt, keine Anti-Atom-Demonstration ohne den Parkapapa mit dem Säugling im Tragetuch.

Doch eine Jugendpartei sind die Grünen nicht. Die jungen Wähler meiden sie, und Karriere machen nicht die Teilzeitmütter, sondern die rund um die Uhr verfügbaren VollblutpolitikerInnen. Umwelt-, Bürgerrechts- und Entwicklungspolitik sind den Grünen weitaus wichtiger als „Kinderthemen“. Die Partei ist eine Organsiation der hedonistischen Großstadtyuppies, die ihre Kinder in ihr Leben hineinorganisieren. Ein Ansatzpunkt für Politik war das bisher nicht.

Das soll sich nun ändern. Mit dem Vorschlag einer grünen Kinderpolitik besetzt die Partei ein Feld, das bisher nur von anderen beackert wurde. Familienpolitik etwa bei der Union hieß bisher, dass Mutti morgens für drei Stunden entlastet wird, um einkaufen zu können. Die Grünen dagegen wollen Familienpolitik nun zur Querschnittsaufgabe für alle Politikbereiche machen: zu Recht.

Kinder als bislang machtlose Minderheit müssen Subjekte der Politik sein, die ihre Rechte durchsetzen können. Sie brauchen offene Kindergärten, sichere Spielplätze, aber auch erreichbare Eltern und staatliche Förderung. Der unverständliche Begriff „Nachhaltigkeit“ wird greifbar, wenn die Partei ihn als kindgerecht definiert. (Pikanterweise sitzten im nationalen Nachhaltigkeitsrat nur Erwachsene.) Kinder dürfen Familien nicht arm machen, Umweltstandards müssen sich an den Schwächsten ausrichten, Kinder müssen vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt werden.

Die Debatte über Gerechtigkeit zwischen den Generationen hat gerade erst begonnen. Auch die Grünen haben zwei Dinge vergessen: Unbeachtet bleibt das Rentensystem, der wichtigste Hebel, mit dem die heute 40- bis 60-Jährigen in der politischen Elite den heute 0- bis 10-Jährigen das Leben vermiesen. Denn vor den organisierten Rentnern hat noch jedes Parlament gekuscht, wenn es darum ging, deren Pfründen zugunsten der Kinder anzugreifen. Zweitens schweigt das grüne Papier dazu, wie die Veränderungen durchgesetzt werden sollen. Nur der Appell an die „Kinderfreundlichkeit“ der Gesellschaft hilft nichts, wenn es wie hier um harte Ressourcen- und damit Machtverteilung geht. Wenn man die Rechte der Kinder wahren will, muss man ihnen einen Kinderbeauftragten mit wirklichen Befugnissen zugestehen. Denn was man den Kindern geben will, muss man anderen Interessengruppen wegnehmen. Generationenpolitik ist kein Kinderspiel. BERNHARD PÖTTER