„Die Punks kamen nach uns“

In ihrem Film „Wie Feuer und Flamme“ lässt Connie Walther die Ost-Punk-Szene der Achtzigerjahre wieder aufleben. Die Regisseurin im Gespräch über Mauergefühle, konservative Blockheads, Walle-Walle-Klamotten und eine Jugend in Hessen

Interview: THOMAS WINKLER

taz: Welche Frage wollen Sie nie wieder hören?

Die Frage, wie man als Regisseurin aus dem Westen dazu kommt, einen Film über die DDR zu machen.

Wie haben Sie es in Ihrem Film geschafft, die sprachlichen Unterschiede zwischen Ost und West so genau herauszuarbeiten?

Natja Brunckhorst, die Drehbuchautorin, und ich, können natürlich keine Ost-Dialoge schreiben. Natürlich versteht man jedes Wort, aber es würde nie richtig klingen. Also haben wir Michael Kobs ins Boot geholt, um am Buch mitzuarbeiten. Er hat das alles mitgemacht, war damals Punk, hat im Knast gesessen. Er weiß, wie die Verhöre abliefen. Es ging darum, diesen feinen Unterschied herauszuarbeiten, der manchmal gar nicht zu hören, sondern nur zu fühlen ist. Michael hat uns mit Material versorgt bis zu seinem Original-Sid-Vicious-T-Shirt und seiner Lederjacke von damals, die nun die Punks im Film wieder tragen. Von mir ist übrigens auch eine Lederjacke dabei.

Wie haben Sie selbst die Punkjahre erlebt?

Die gab es eigentlich nicht. Als ich in dem entsprechenden Alter war und in Hessen aufwuchs, da hat man sich ein paar Sicherheitsnadeln in den Mund gesteckt, das reichte schon, um extrem rebellisch zu sein. Bei uns im Dorf gab es Rocker, und da war ich dabei. Die Punks kamen nach uns, vielleicht zehn Jahre später, aber da war ich schon weg. Selbst die ersten Kneipen mit Hippies gab es erst Anfang der 80er-Jahre.

Da waren die Ostler schneller...

Ja, verrückt. Wir sind in der Schule noch mit Walle-Walle-Klamotten und der 68er-Ära in den Köpfen rumgerannt. Ich bin dann nach Düsseldorf gegangen und da gab es den Ratinger Hof, das war aber auch schon alles. Ich war nie ein expliziter Punkfan, aber die Energie ist mir schon sehr vertraut.

War es schwer, in „Wie Feuer und Flamme“ die Balance zu finden zwischen der Liebesgeschichte und den zeitgeschichtlichen Hintergründen?

Beim Drehen wird das Dokumentarische letztlich dem Gefühl untergeordnet. Zum Beispiel ist historisch ungenau, dass der Film 1982 spielt, aber Erich Mielkes Befehl zur „Zersetzung“ der Punkszene in der DDR eigentlich erst 1983 kam. Wir wollten aber dieses naive Gefühl des Anfangs einfangen, und es machte mehr Sinn, das noch im selben Sommer kulminieren zu lassen, als ein ganzes Jahr zu warten. Historisch ungenau bin ich nur da, wo es der Sache dient. Ein Kniff, ein geschickter, wie ich hoffe, ist sicherlich, dass man in Amerika anfängt mit wenig Vorwissen und mit der naivsten aller Fragen: „What was the Wall like?“ Das ist der Einstieg, man setzt wenig voraus, man betrachtet im Fernsehen genau die Bilder, die man kennt. Von dort aus entwickelt sich die individuelle Geschichte von Nele, die ja auch nichts weiß und plötzlich im Osten steht und einen Punk sieht und sagt: „Ich hätte gar nicht gedacht, dass hier Typen wie du rum laufen.“ So erklärt sich alles aus den Figuren heraus.

In Ihrem Film gibt es einen ziemlich diffamierenden Bericht in „Kennzeichen D“ über die angeblich rechten Punks im Osten. Beruht der auf Tatsachen?

Den Bericht gab es wirklich, wenn auch ohne richtige Punks und nicht so tendenziös. Der Nazi-Vorwurf war nicht so konkret, das haben wir verschärft. Ich fand das aber auch denkbar, denn da berührten sich die Systeme tatsächlich. Die konservativen Blockheads haben hier wie dort auf die Punks draufgehauen. Karl Eduard von Schnitzler und „Kennzeichen D“ tuten da plötzlich ins selbe Horn, das war uns wichtig. Die ganzen Repressionen haben letztlich dazu geführt, dass die Punks, die immer mehr in die rechte Ecke gedrängt wurden, klarstellen wollten, dass sie keine Nazis sind. Dieser Druck führte dann zu einer Kranzniederlegung vor der Ewigen Flamme in der Neuen Wache.

Wo wurde die Kranzniederlegung gedreht? In der Neuen Wache steht doch inzwischen Käthe Kollwitz.

Wir haben erst gar keine Drehgenehmigung für die Neue Wache bekommen, also mussten wir das im Studio bauen. Und das war exorbitant teuer, denn dieses Ding ist ja riesig, und du brauchst ja eine gewisse Höhe, um das Größenverhältnis der Menschen zu den Mauern realistisch abbilden zu können. Da habe ich um jede Reihe Mauersteine feilschen müssen. Total geil war aber, dass wir das Original der Ewigen Flamme gekriegt haben, die im Deutschen Historischen Museum eingelagert ist. Das war ein Sondertransport. Aber das war uns schon wichtig, denn diese Kranzniederlegung hat genau dort stattgefunden.

Bei Ihrer Produktionsfirma X-Filme wird nicht erst seit „Lola rennt“ sehr bewusst mit Musik gearbeitet. Die Plattenfirmen werden in den Produktionsprozess integriert, von Anfang an hatten Sie mit dem ehemaligen Ärzte-Bassisten Hagen Liebing einen musikalischen Berater. Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Das war total super. Bei so einem Film ist das natürlich sehr wichtig, dass der Soundtrack stimmig ist. Bei X-Filme wird man damit nicht alleine gelassen, man sitzt da nicht mit einem Komponisten herum und weiß nicht, was man machen soll. Wenn man so früh schon über die Musik nachdenkt, dann kann man auch eine Szene auf einen Song hin schreiben. Ich habe „Monotonie“ von Ideal ausgestoppt und konnte so die Szene exakt timen.

Wie haben Sie den 9. November 1989 erlebt?

Den habe ich leider verpennt. Da war ich beim Abendessen mit einer Freundin, bin nach Hause gefahren und ins Bett gegangen.