Alltagsgeschichten aus Abidjan

Kein Geld, keine Freundin: In Westafrika sind Magic System längst zu führenden Stars der lokalen Zouglou-Szene aufgestiegen. Allmählich verbreitet sich ihr Ruf nun auch in Europa – über den Radius der afrikanischen Kassettenläden in Paris-Barbès hinaus

von JAY RUTLEDGE

Samstagabend in Abidjan, an der Elfenbeinküste, auf der Amüsiermeile Rue Princesse. Eine Bar reiht sich hier an die nächste, und die Straße ist hier am Wochenende so voll, dass man mit dem Taxi gar nicht mehr durchkommt. Aus den Lautsprechern dröhnen die aktuellen Musikmoden Westafrikas: Mapouka, Zouglou, Soukous, und ab und zu auch mal ein bisschen Rap.

Hier spielt die Geschichte, auf die Magic System ihren Hit „Premier Gaou“ gemünzt haben: Asalfo Traoré, der Sänger der Band, amüsiert sich mit seiner Freundin. Man isst und tanzt. Irgendwann aber geht ihm das Geld aus, und prompt lässt ihn seine Freundin stehen. Eine Weile später aber erscheint Asalfos Kassette, läuft im Radio, und er tritt im Fernsehen auf. Das Mädchen sieht ihn dort; sie denkt, er müsse wohl wieder zu Geld gekommen sein, und klopft an seine Tür. Der Refrain des Stücks lautet, übersetzt: Einmal einen Fehler machen, das kann passieren. Aber ihn ein zweites Mal zu begehen, das wäre „Gnata“ – wirklich blöd. Daraus speist sich Zouglou: aus Alltagsgeschichten, die das Leben schreibt.

Der Zouglou-Stil wurde von jungen Studenten in den Achtzigern in Abidjan erfunden. Doch hierzulande kennt niemand die Musik. Denn die Musik der Elfenbeinküste ist noch immer einer der vielen weißen Flecken auf der Weltmusik-Landkarte.

Magic System sind dort die Stars der Szene. Von ihrer 1999 erschienenen Kassette „Premier Gaou“ verkauften sie in ganz Westafrika weit über eine Million Exemplare. Kein DJ und keine Bar, von Kamerun bis Senegal, die ihren Hit „Premier Gaou“ nicht monatelang rauf und runter gespielt hätte. Doch der Anfang war alles andere als leicht. „450 Zougloubands gibt es in Abidjan“, erzählt Asalfo, „da musst du schon etwas machen, was magic ist, sonst hast du keine Chance.“ So erklärt sich der Name der Gruppe.

Der Erfolg in der Heimat hat ihnen zu Konzertreisen in den USA, Italien, England und Frankreich und dort jetzt zu einem Plattenvertrag verholfen. Seitdem können sie halbwegs leben von ihrer Musik.

Dass es so lange gedauert hat, bis sich ihr Ruf auch außerhalb der afrikanischen Läden des Pariser Stadtviertels Barbès verbreitet hat, liegt auch daran, dass sie bislang hauptsächlich mit Halb-Playback aufgetreten sind – für eine Band fehlte bislang das Geld. Die Musik kommt von Drumcomputern und Keyboards, angereichert mit Gitarre, Live-Perkussion und mehrstimmigem Gesang. Ein 100 Prozent tanzbarer Mix. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die gerade im Zouglou so zentralen Texte beim Transfer auf der Strecke bleiben. Die bleiben wichtig, wie Asalfo Traoré betont: „Wir leben immer noch im selben Stadtteil wie früher, mit unseren Eltern, wo die Hühner durch den Hof rennen. Würden wir jetzt in ein besseres Viertel ziehen, die Füße hochlegen und die Air Condition hochschalten – worüber sollten wir dann morgen noch singen?“

In Deutschland über: Sonodisc/Bellaphon