Westsahara-Plan folgt Marokkos Linie

Polisario lehnt neuen Vorschlag von UN-Generalsekretär Annan ab, der nur noch eine Autonomie für die Westsahara innerhalb Marokkos vorsieht

aus Madrid REINER WANDLER

Der UN-Generalsekretär Kofi Annan möchte den Friedensplan für die Westsahara zu Grabe tragen. Statt ein Referendum über die Unabhängigkeit der ehemaligen spanischen Kolonie an der afrikanischen Nordwestküste, gegenüber den Kanarischen Inseln, oder deren Eingliederung in Marokko vorzuschlagen, will Annan dem UN-Sicherheitsrat in Kürze eine „Autonomielösung“ unterbreiten.

Bei dem Plan „geht es nicht um die Unabhängigkeit der Westsahara, sondern um eine autonome Einheit unter marokkanischer Verwaltung“, heißt es in dem Bericht, aus dem die spanische Presse gestern bereits zitierte. Der Sondergesandte der UNO, der ehemalige US-Außenminister James Baker, „ist zu der Überzeugung gelangt, dass der bisherige Plan nicht umgesetzt werden kann“, heißt es zur Begründung der neuen Politik.

Damit gestehen die Vereinten Nationen ein, an der sturen Haltung der marokkanischen Regierung gescheitert zu sein. Die Regierung in Rabat hatte gegen den von der UN-Mission Minurso erstellten Zensus für eine Volksabstimmung 140.000 Widersprüche eingelegt und damit die Vorbereitungen für ein Referendum in der seit 1976 besetzen Westsahara endgültig ins Stocken gebracht. Marrokko verhindert seit dem 1991 von der UN ausgehandelten Waffenstillstand zwischen seinen Truppen und der Befreiungsbewegung Polisario erfolgreich die vereinbarte Volksabstimmung in der ehemaligen spanischen Kolonie.

Annans Autonomielösung sieht jetzt vor, dass die sahrauischen Flüchtlinge aus den westalgerischen Camps in Tindouf in die Westsahara zurückkehren. Die 86.700 für das Referendum erfassten WählerInnen sollen dann einen Exekutivrat wählen. Alle in der Westsahara lebenden Menschen, also auch die nach der gewaltsamen Eroberung zugezogenen Marokkaner, sollen in einem weiteren Urnengang einen Legislativrat wählen. Beide Institutionen verwalten dann die Autonomie, die allerdings nur kulturelle und einige wirtschaftliche Befugnisse haben soll.

„Marokko hat weiterhin die alleinige Kompetenz über internationale Beziehungen, die nationale Sicherheit und die Verteidigungspolitik (...) sowie die Verhütung sezessionistischer Bestrebungen innerhalb und außerhalb des Territoriums“, heißt es im Vorschlag Annans. Nach einer Übergangszeit von vier Jahren soll der Legislativrat vor seiner Auflösung einen neuen Exekutivrat wählen. Diesem kommt dann die Aufgabe zu, ein Jahr später ein Referendum über den weiteren Verbleib bei Marokko zu organisieren. Abstimmen soll jeder dürfen, der länger als ein Jahr in der Westsahara lebt. Die Sahrauis wären damit in der Minderheit.

„Das ist ein klarer Verstoß gegen international gültiges Recht“, sagte gestern der Sprecher der Polisario in der spanischen Hauptstadt Madrid, Brahim Gali, zum Vorschlag Annans. Für ihn ist der Plan identisch mit dem, was Marokkos Premierminister Abderrahmane Youssoufi bereits im Frühjahr der UNO unterbreitet hatte. „Annan streift der marokkanischen Politik einen neuen Anzug über, damit diese internationalen Glanz bekommt“, beschwerte er sich. Die Polisario-Führung und ihr Gastgeberland Algerien hatten bereits am 5. Mai anlässlich einer Reise von Annans Sondergesandtem Baker in die Region den so genannten Dritten Weg abgelehnt.

„Wir hoffen, dass der UN-Sicherheitsrat sich nicht hinters Licht führen lässt und diesen Plan annimmt“, erklärte Gali. Die Polisario besteht weiterhin darauf, dass die Vereinten Nationen Marokko zur Abhaltung des ursprünglich vereinbarten Referendums zwingt. „Ansonsten schließen wir eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen nicht aus“, drohte Gali.

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