WESTSAHARA: FÜR DIE SAHRAUIS IST DER UN-PLAN EINE PROVOKATION
: Betrug statt Autonomie

Die Vereinten Nationen wollen die Sahrauis mit einer Autonomielösung abspeisen – nach über 25 Jahren Flüchtlingsdasein im unwirtlichen Gran Erg, einer öden Steinwüste im Südwesten Algeriens. Dabei fällt das Angebot von UN-Generalsekretär Kofi Annan weit hinter das zurück, was sich in Spanien Autonomie oder in Deutschland Bundesland nennt. Außer kulturellen Rechten ist in dem Plan – den Annan bei Marokkos Regierung abgeschrieben hat – nur wenig vorgesehen. Innere und äußere Sicherheit unterstehen auch weiterhin der marokkanischen Hauptstadt Rabat. Es handle sich doch nur um eine Übergangslösung für fünf Jahre, an deren Ende ein Referendum stehen wird, lautet der Einwand gegen Kritik am Vorschlag des UN-Chefs. Doch das ist nichts als Augenwischerei.

Wählen sollen dann nämlich all diejenigen können, die mindestens ein Jahr in der Westsahara leben. Damit ist der Zensus seitens Marokkos denkbar einfach beeinflussbar. Angesichts des Heeres der Arbeitslosen und Verelendeten, die rund um die großen Städte des Landes leben, wird es ein Leichtes sein, neue Bevölkerung mit billigen Versprechungen in die Westsahara zu locken – und so den Ausgang des Referendums kalkulierbar zu machen. Wer einmal in El Ayun, der Hauptstadt der besetzten Westsahara war, der weiß, dass für das, was dort die alltäglichen Lebensbedingungen für die verbliebenen Sahrauis sind, nur ein Wort in Frage kommt: Apartheid. Das wird sich sicherlich unter der UN-Autonomieregelung nicht verbessern. Bereits jetzt sind die meisten Geschäfte – für deren Eröffnung es eine staatliche Lizenz braucht – im Besitz von Marokkanern, die seit dem Grünen Marsch in der besetzten Westsahara leben. Für die Sahrauis bleiben nur wenige Nischen. Sahraui-Familien, in denen niemand eine Rente aus Spanien bezieht, leben mehr als bescheiden.

Nach 25 Jahren des Konflikts, der vergifteten Brunnen, der Napalmbomben auf Dörfer und Flüchtlingskarawanen, der Verhaftungen, der Folter, nach zehntausenden von Toten und hunderten von Verschwundenen ist der Plan Annans mehr als eine Provokation. Der UN-Chef will, dass die Sahrauis ihre Leidensgeschichte vergessen. Nur: Das ist unmöglich. Wer kann allen Ernstes von einem gepeinigten Volk erwarten, seinen Peinigern zu vertrauen? Unter solchen Umständen den Plan der UN zu akzeptieren, käme für die Polisario einer bedingungslosen Unterwerfung gleich. Die aber hätten die Sahrauis bereits vor 25 Jahren wahrlich billiger haben können. Autonomielösung nennt Kofi Annan das, was in Wirklichkeit nichts weiter als ein Betrug ist. REINER WANDLER