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: Das Literaturfestivaltagebuch (7): Mehr Sport

Fett in Erinnerungen

Viertel nach neun: gerade 20 Leute, was eigentlich angesichts des winzigen Kellerkabuffs angenehm ist, wenn auch der finanzielle Ertrag darunter leiden wird. Wie bei den Likedeelern wird bei den Vorlesebühnen gleichgeteilt. Die Ehe, die hier zwischen Musik und Literatur vorgelebt wird, ist vorbildlich. „Hortkind“ Konrad schadet seinen Texten durch die Dreingabe flotter Melodien sicher nicht: „Allein im Nachthemd auf dem Alexanderplatz mit einer Rose in deiner Hand, Aeroflot-Pilot, morgen musst du wieder nach Kasachstan. Du bist der Mann mit den labbrigen Jeans, mit den hässlichen Beinen, mit der Asymmetrie, bevor ich ja sag, bleib ich lieber allein.“ Später berichtet er noch von seiner Affinität zum Achselhaar von Kugelstoßerinnen.

Jochen lebt jetzt sportlich, weil er Marathon laufen will, nein, gesund sei das nicht, Durchfall bekomme man davon und Frauen ihre Regel, aber es sei einer der wenigen Mythen der Menschheit wie der Mount Everest. Da seien neulich Sachsen raufgeklettert, einer ist umgekommen, der hat noch mit Handy mit seiner Familie telefoniert.

Abschlusslied nach der Melodie von „Dirty Old Town“, schon ziemlich professionell. Von den Polaroids wird keins, wie ich es mir gewünscht hatte, sehr ernüchternd.

Erinnerungen, als ich mir noch einen Döner hole: die Cheeseburger an der Hermannstraße, auch schon längst Vergangenheit. Fett tropft von dem glasigen Pressfleischblock.

FALKO HENNIG