Geborgenheit und glückliche Enden

Die Autorin und Illustratorin Tove Jansson, besser bekannt als Mumin-Mama, starb gestern 86-jährig in Helsinki

Der Vater war Bildhauer, die Mutter Malerin und Finnlands führende Briefmarkenentwerferin. Tove Janssons Berufsweg war vorgezeichnet. Sie wurde Malerin, Zeichnerin, Illustratorin. Und sie erfand die Mumins. Mit 15 schmiss sie die Schule, als 18-Jährige war sie bereits eine etablierte Illustratorin und Reklamezeichnerin. Politische Karikaturen, mit denen sie – Hitler allerdings oft als Marmeladendieb verharmlosend – gegen die Nazis und Finnlands Allianz mit dem Dritten Reich protestierte, erschienen im Satireblatt Garm.

Erst als 31-Jährige schrieb sie das Erste der Bücher, mit denen sie vor allem bekannt werden sollte: „Die kleinen Trolle und die große Überschwemmung“. Ein noch ganz sparsam illustriertes Mumin-Buch. Ihr eigentlicher Durchbruch als „Mumin-Mama“ kam 1953 mit dem Auftrag der britischen Evening News, eine tägliche Serie über die Mumins zu zeichnen. Die Vertragsbedingungen: Jeder Streifen musste glücklich enden; Politik, Sex und Tod durften nicht vorkommen. Die Serie wurde bald weltweit verkauft, die Mumins fanden schnell Eingang in die Herzen der Kinder – und vieler Erwachsener.

Nach und nach übernahm Toves Bruder Lasse die tägliche Arbeit mit der Serie, Tove Jansson konzentrierte sich ganz auf das Schreiben. Nach zehn Büchern, die mittlerweile in 34 Sprachen übersetzt worden sind, wurde sie 1970 die Mumin-Geschichten leid: „Ich verließ das Tal und wurde erwachsen.“ Sie schrieb Theaterstücke, Romane, Novellen und die Autobiografie „Bildhauertochter“. Auch wenn in diesen Werken viele Motive und Themen aus den Mumin-Büchern wieder auftauchten, erlangte sie damit nie deren internationale Aufmerksamkeit.

Der Kommerz hat die Mumin-Figuren längst voll im Griff. In Finnland gibt es in Tampere ein Mumin-Haus und in Naantali einen Mumin-Vergnügungspark. Eine japanische Zeichentrickserie hat Tove Janssons Geschichten teilweise bis zur Unkenntlichkeit verdreht und verharmlost. Kekse, Kaffeetassen, Radiergummis, Windeln: Es scheint nichts zu geben, was sich mit Mumin-Figuren nicht besser verkaufen ließe. Mit Mumin-Papa und seinem Hut, Mumin-Mama mit der Handtasche, dem immer netten Mumin, der ewig flirtenden Snorkfräulein, dem Anarchisten und Bösewicht Stinky. Und dem eigentlichen Star der Serie: der mutig-chaotischen Wahrheitensagerin Klein My.

Die Bücher schaffen eine Art von mystischer Sagenwelt, wie Kinder sie heiß lieben: bevölkert mit Fantasiefiguren, die bei weitem nicht nur gute Eigenschaften haben. Das Mumin-Tal ist geschützt und sicher, aber Gefahren und Katastrophen lauern gleich um die Ecke. „Ich liebe Grenzen“, sagte Tove Jansson einmal. „August ist der schönste Monat, die Grenze zwischen Sommer und Herbst. Die Dämmerung ist die Grenze zwischen Tag und Nacht, der Strand die zwischen Meer und Land. Grenze ist Erwartung: Zwei sind verliebt, und noch ist nichts gesagt. Grenze ist, auf einem Weg zu sein. Der Weg ist das Wichtigste.“ Am Mittwoch hat Tove Jansson eine andere Grenze überschritten. Die Grenze zwischen Leben und Tod. Nach längerer Krankheit und im Alter von 86 Jahren.

REINHARD WOLFF