Schröder nach Den Haag?

Wegen Nato-Luftangriffen: PDS-Abgeordnete will Anklage gegen Kanzler und Minister

BERLIN taz ■ In der PDS-Bundestagsfraktion gibt es nach der Auslieferung des serbischen Exdiktators Slobodan Milošević unterschiedliche Auffassungen zur Verantwortung der deutschen Bundesregierung für den Kosovokrieg. Die PDS-Bundestagsabgeordnete Heidi Lippmann forderte gestern, dass auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gestellt werden sollten. „Der Nato-Einsatz im Kosovo war sowohl völkerrechts- als auch grundgesetzwidrig“, sagte Lippmann der taz in Berlin am Rande einer PDS-Anhörung serbischer Opfer der Nato-Luftangriffe. „Deshalb muss die Bundesregierung sowohl politisch als auch juristisch zur Verantwortung gezogen werden.“

Fraktionsvize Wolfgang Gehrke sagte dagegen, die Bundesregierung treffe zwar eine politische und persönliche Verantwortung. Für ein Gerichtsverfahren gebe es aber keine juristische Grundlage. Lippmann hatte das Kriegsverbrechertribunal als einzig mögliche Instanz für ein Verfahren gegen die Bundesregierung bezeichnet. Gehrcke forderte dagegen „Gesten der Versöhnung“. So könnte Deutschland verstärkt humanitäre und finanzielle Hilfe anbieten. Zu der Anhörung hatte die PDS fünf Überlebende eines Nato-Angriffs auf die serbische Kleinstadt Varvarin geladen. Beim Bombardement einer Brücke waren 1999 10 Menschen ums Leben gekommen, 17 wurden schwer verletzt. Die Überlebenden fordern von der Bundesregierung Entschädigung. „In der Stadt selbst und in der näheren Umgebung waren zu keinem Zeitpunkt militärische Einrichtungen stationiert“, erklärte ihr Anwalt Ulrich Dost. Sollte die Regierung die Forderung nach Ablauf einer Frist bis September ablehnen, werde man in Berlin auf Schadensersatz klagen. Die PDS-Fraktion unterstützt die Forderungen.

Vor dem Hintergrund des Kosovokrieges klagt die PDS selbst in Karlsruhe: Die neue Nato-Strategie, die Interventionen außerhalb des Bündnisgebietes ermöglicht, hätte der Zustimmung des Bundestages bedurft.

JULIA WESSELOH