Schwarze Schafe mit bunter Flagge

Billige, aber schlampige Schifffahrtsregister haben weltweit Hochkonjunktur. Was dem globalen Handel gut tut, kommt Umwelt und Seeleute teuer zu stehen. Internationale Studie vergleicht Standards der 38 führenden Flaggenstaaten

aus Cardiff MICHAEL HOLLMANN

Auch anderthalb Jahre nach Untergang der maroden „Erika“ vor der französischen Atlantikküste haben Seelenverkäufer weiterhin freie Fahrt. Die Regelungskompetenzen etlicher Flaggenstaaten bleiben unzureichend, internationale Sicherheits- und Sozialstandards vielfach ohne praktische Bedeutung. Diese Bilanz ziehen Wissenschaftler des Internationalen Seeleute-Forschungszentrums (SIRC) Cardiff in einer aktuellen Studie, die bislang nur Spitzenvertretern von Industrie, Gewerkschaften sowie der UNO vorgelegt wurde.

In dem „Flaggenaudit“, das der taz in Auszügen vorliegt, schneiden die Hälfte der 38 untersuchten Länder mit „ungenügend“ ab. Diese Staaten vereinigen in ihren Schifffahrtsregistern aber über zwei Drittel der weltweiten Schiffskapazitäten. Das Institut unterzog Gesetzbücher, Verwaltungen und Unternehmen sowie Sozial- und Ökostandards einer Rasteruntersuchung und stufte die Länder anschließend in einer Skala von 0 (schlecht) bis 100 (gut) ein. Am zuverlässigsten arbeiten die Behörden in Norwegen (84 Punkte), das umstrittene deutsche deutsche Zweitregister, das Reedern die Rekrutierung billiger, ausländischer Arbeiter ermöglicht, landet auf Rang sieben (75 Punkte).

19 Länder bringen es nicht einmal auf die Hälfte der erreichbaren Punkte. In Liberia (43) – einem der weltgrößten Register – sei es „fraglich, ob die Behörden ihre sehr große Flotte tatsächlich überwachen können“, so die Forscher. Das nationale Schifffahrtsregister wird dort traditionell von einem privaten US-Unternehmen geführt. Ausländische Reeder können via Internet gegen eine Gebühr von 1000 Dollar innerhalb von 24 Stunden einen Firmensitz anmelden und dabei weitgehend anonym bleiben. Katastrophale Bedingungen herrschen in Kambodscha (19), das seine Flagge aggressiv vermarktet. „Fast gar keine Regeln“ bei „ultrageringen Kosten“, konstatieren die Autoren der Studie. Sicherheitsbescheinigungen würden ohne jegliche Inspektion ausgestellt und soziale Belange der Seeleute völlig übergangen.

Der Flaggenvergleich bestätigt damit eine seit langem diskutierte Schieflage in der Schifffahrtsindustrie, die wie kein anderer Wirtschaftszweig durch Globalisierung umgewälzt worden ist: einerseits enorme Risiken durch die laxe Behördenpraxis der „Billigflaggenländer“, andererseits die freundliche Geschäftsentwicklung der Branche – ein Plus um knapp 11 Prozent seit 1996 .