Dynamische Windkraft

Traumhafte Zahlen: Umweltminister Jürgen Trittin stellte Halbjahresbilanz der Deutschen Windkraft-Wirtschaft vor und hörte viel Lob aus der Branche

BERLIN taz ■ Es gibt im Leben eines Umweltministers auch ausgesprochen angenehme Momente. Mit Worten wie „Wind-Weltmeister“, „Rekordjahr“ oder „Boom“ stellte Jürgen Trittin gestern in Berlin die Halbjahresbilanz der Windkraftbranche vor. Derlei Wortwahl ist durchaus angebracht. Im ersten Halbjahr gingen bundesweit 673 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 821 Megawatt ans Netz. Das sind 50 Prozent mehr als vor Jahresfrist – und schon 2000 war ein Spitzenjahr der Windkraft-Wirtschaft. Trittin: „Die Energiewende ist keine Fiktion mehr, das Klimaziel der Bundesrepublik dank dieser Entwicklung zu schaffen.“

Hermann Albers, Vizepräsident des Bundesverbandes Windenergie, zollte dem Minister Respekt: „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist der absolut treibende Motor dieser dynamischen Entwicklung.“ Die Gesamtkapazität der Branche erhöhte sich auf 6.900 Megawatt (ein Prozent des Deutschen Stromaufkommens), der Umsatz der Anlagenbauer im letzten Jahr auf knapp vier Milliarden Mark, die Beschäftigtenzahl auf 30.000. „Erstmals könnten in diesem Jahr Neuinstallationen jenseits der 2.000-Megawatt-Marke geschafft werden“, prognostizierte Albers. Bei gleich bleibender Dynamik könnten 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid bis 2005 eingespart werden.

Schöne Zahlen, die noch schöner werden sollen, geht erst die Offshore-Energiegewinnung auf hoher See los. Das Bundesumweltministerium hatte jüngst eine Studie vorgelegt, nach der potenziell knapp 15 Prozent des deutschen Stromes auf der Nordsee gewonnen werden können. Bereits 2004 sollen die ersten Windparks in Betrieb gehen, mit bis zu 80 Windrädern 20 bis 30 Kilometer vor der Küste. Trittin verknüpft diese Projekte mit dem Zusatz „Pilot“. Technische Anforderungen wie Verankerung auf dem Meeresboden oder Eigenschwingung seien erheblich, der Investitionsbedarf entsprechend groß. Klar scheint deshalb heute, dass sich nur 5-Megawatt-Windräder wirtschaftlich betreiben lassen. Die befinden sich derzeit aber erst in der Entwicklung.

Angesichts derart rosiger Gegenwart und Zukunft konnte Trittin gestern gelassen Kritikern entgegentreten. So befürchten Naturschützer etwa, dass die geplanten Windparks Vogelpopulationen und Wahlarten zusetzen. Trittin räumte einen „vorhandenen Zielkonflikt“ ein, der gut ausgelotet werden müsse. Erstens werden die Windparks deshalb „so weit draußen gebaut“. Zweitens: „Wenn es uns nicht wirklich gelingt, Klimaschutz zu betreiben, werden wir keine Naturparks mehr haben.“

Kritik kam auch aus der anderen Richtung: von den Windmüllern. Fritz Vahrenholt, Vorstandschef des Anlagenbauers Repower, bezeichnete Trittin als „Bremser“. Seine Firma müsse „30 Millionen Mark in die Entwicklung der 5-Megawatt-Maschinen investieren“. Das rechne sich nur, wenn „wir mindestens 50 Windräder pro Park vor der Küste installieren dürfen“. Trittin ließ sich seine Laune gestern nicht verderben: „Sie dürfen sogar 80 bauen.“ NICK REIMER