zwischen den rillen
: HipHop will mehr: Afrob und Tefla & Jaleel

Auf dem Weg der Besserung

Manchmal ist es einfach. Manchmal steckt alles schon in den ersten Worten. Wird mit diesen die Position formuliert, entwickelt sich von da aus alles andere. Manchmal muss man nur zuhören.

„Es ist zu offensichtlich, dass ihr einen Neger brechen wollt“, beginnt Afrob sein zweites Album. Auf „Made in Germany“ berichtet der Stuttgarter nicht nur von HipHop, nicht nur von sich und seiner Geschichte, sondern liefert eine Grundsatzarbeit ab zum Thema Leben als Schwarzer in Deutschland. Spricht vom Dasein als „Afroasiate“ in D, erzählt von denen, die abgeschoben werden wegen eines Verkehrsdelikts, von den „Kanaken ohne Licht“, von den verlorenen Wurzeln.

Zu schwerblütigen Samples und Sitarklängen zeichnet Afrob ein düsteres Bild. Formuliert zwar einerseits ein neues afro-deutsches Selbstwertgefühl, aber gibt auch der um sich greifenden Desillusionierung Worte: „Mitte versagt, die Debatte vertagt“. Vor allem aber bricht sich jene überraschend offensive Militanz Bahn, die schon „Letzte Warnung“ auszeichnete, die gerade erschienene Single von Brothers Keepers, einem Zusammenschluss von mehr als 20 afrodeutschen HipHoppern. „Ich kenne alle Gesetze, aber ich scheiße auf die meisten“, rappt Afrob auf „Made in Germany“ und reklamiert immer wieder offensiv das Schimpfwort „Nigger“ als Ausdruck eines selbstbewussten Schwarzseins.

Niemand hierzulande nimmt die von Afrobs großen Vorbildern Public Enemy dereinst postulierte Aufgabe von HipHop als CNN des schwarzen Mannes so ernst. Niemand zuvor im deutschen Rap ließ so explizit soziale Realitäten der Republik Revue passieren: „Krieg ist, wenn die Menschen sterben, nicht wenn sich jemand disst“. Auf die klassischen Battle-Raps, Party-Tracks und Hanf-Hymnen, die hierzulande bislang den textlichen Output des Chartsmaterials beherrschten, muss man schon warten, bis die Berliner Überzeugungsprolls von den Spezializtz ins Geschehen eingreifen.

Ansonsten aber ist dies nicht HipHop um des HipHops willen, sondern HipHop als Trägermedium für Realität und eine Botschaft, die weit hinausgeht über den arschwackelnden Willen zum Amüsement. Es gibt in Deutschland mittlerweile technisch unglaublich avancierte Rapper, flotte Reimer und elegante Beatbastler, und auch auf „Made in Germany“ rocken Gäste wie D-Flame, Gentleman, Wasi von den Massiven Tönen und Max vom Freundeskreis wie der Teufel. Das aber, was diese Platte von anderen unterscheidet, ist die Unumgänglichkeit, die aus ihr spricht, die Notwendigkeit, in diese Welt kommen zu wollen, zu müssen. Diese Platte will etwas ändern. Allein das macht sie zur politischsten in der Geschichte des deutschen HipHops.

Auch Tefla & Jaleel haben einen ersten Satz: „Wir sind die Zonies mit dem Faible für das eigene Independent Label.“ Auch hier ist alles drin, denn auf „Interview“ wird verhandelt: Die Herkunft der beiden aus Chemnitz, ihre Pionierleistungen als Gründer des bedeutendsten ostdeutschen HipHop-Labels Phlatline und Initiatoren des Splash-Festivals, das sich mit zuletzt 25.000 Zuschauern zum größten HipHop-Open-Air Europas gemausert hat.

Auf „Interview“ ist HipHop noch ganz bei sich und meist nur bei sich. Vom bekifft wabernden Gangsta-Style über den eleganten Groove mit Soul-Refrain und den Dancehall-Song bis zum Posse-Track, in dem sich die verschiedenen Stimmen ins Wort fallen, werden einer Fingerübung gleich nahezu alle musikalischen Stile durchexerziert.

So wie die Stile werden auch die einschlägigen Themen abgehandelt: „Pflegeheim“ zeichnet das Krankheitsbild eines darniederliegenden HipHops, die ausgekoppelte Single „Beats und Raps“ ist eine Vorlesung über die Techniken von HipHop, in „Postwendend“ wird die korrekte HipHop-Motivation dekliniert, und in „Gib mir“ wird reklamiert, wenn HipHop schon nicht aus den „five boroughs of death“ kommen sollte, dann doch wenigstens „aus den fünf neuen Ländern im Osten“. Nur zwei Tracks beschäftigen sich nicht mit HipHop: Mit „Chemnitz“ liefern Tefla und Jaleel eine Liebeserklärung ab an ihre Heimatstadt, die ganz in der Tradition von Advanced Chemistrys „Heidelberg“ steht, und in „Prinzessinnen“ schwören die beiden Rapper ihren Freundinnen die Treue.

Ansonsten aber findet das Leben jenseits von HipHop, zu dem Tefla und Jaleel in jedem Interview befragt werden, das Leben als HipHopper im Osten Deutschlands, auf ihrem Debüt nur in Nebensätzen statt. So gesehen fällt „Interview“ zurück hinter den aktuellen Stand des deutschen HipHop, der inzwischen sehr wohl mehr mitzuteilen hat als nur, dass HipHop halt HipHop ist.

THOMAS WINKLER

Afrob: „Made In Germany“ (Four/Columbia/Sony); Tefla & Jaleel: „Interview“ (Phlatline/WEA)