Rauchen für den guten Zweck

Raucher werden eher krank und belasten ihre Umgebung. Das kostet. Sie sterben auch früher. Das spart viel. Ein interessierter Konzern ließ rechnen

von RALF GEISSLER

Rauchen Sie! Möglichst oft und immer intensiv. Sie sterben zwar wahrscheinlich schneller, tun aber etwas Gutes: Sie sanieren die Sozialsysteme. Das ist die Botschaft einer Studie des weltweit größten Zigarettenherstellers Philip Morris, die er von der US-amerikanischen Wirtschaftsberatung Arthur D. Little International erarbeiten ließ. Darin rechnen die Autoren vor, dass die Tschechische Republik 1999 bis zu 69 Millionen Mark allein deshalb gespart habe, weil ihre rauchende Bevölkerung eher gestorben ist als die nicht rauchende und folglich weniger Kosten verursacht habe für Renten, Altenpflege und medizinische Betreuung.

„Es ist eine Wirtschaftsstudie – nicht mehr und nicht weniger“, beschwichtigt Philipp-Morris-Sprecher Robert Kaplan im Wall Street Journal. „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass die Gesellschaft einen Nutzen aus den Leiden zieht, die auf das Rauchen zurückzuführen sind.“ Die Zahlenspiele erwecken diesen Eindruck aber durchaus. So addierten die Unternehmensberater auch die Einnahmen aus der Tabaksteuer und zogen den volkswirtschaftlichen Schaden ab, den Raucher verursachen, weil sie und Menschen aus ihrer Umgebung häufiger krank werden. Unterm Strich habe sich der tschechische Staat 1999 sogar über einen Nettogewinn von 337 Millionen Mark freuen können – fast nur dank Philip Morris.

Denn die Zigaretten des Konzerns haben in Tschechien einen Marktanteil von achtzig Prozent. 1992 kaufte die Firma den bis dahin staatlichen Zigarettenhandel. Heute vertreibt sie neben den alten landestypischen Marken vor allem Bekanntes aus Westeuropa und Amerika wie Marlboro.

Die Studie ließ der Konzern erstellen, nachdem tschechische Politiker behauptet hatten, die Tabakindustrie belaste die öffentlichen Finanzen. Dass Tabakkonsum einen Staat Geld kostet und ihn nicht entlastet, besagen unzählige Untersuchungen. So berechnete die Weltbank, dass die Behandlung von Raucherkrankheiten weltweit jährlich 200 Milliarden Dollar verschlinge. Innerhalb der nächsten 25 Jahre würden mehr Menschen von Raucherkrankheiten dahingerafft als von allen ansteckenden Krankheiten zusammen. Auf die Idee, den früheren Tod als volkswirtschaftlichen Nutzen zu betrachten, kam bislang aber noch keiner.

Anders als in vielen Ländern Westeuropas und der USA geht die Zahl der Raucher in Osteuropa nicht zurück. Vermutlich deswegen, so Ernst Günther Krause von der Nichtraucher-Initiative Deutschland, sei die Studie für Tschechien erarbeitet worden. „Die Tabaklobby konzentriert sich auf Märkte, wo noch was zu holen ist.“ In den USA lässt sich mit Tabak immer weniger verdienen. Im Juli vorigen Jahres wurden die fünf größten Tabakkonzerne von einem Gericht in Florida zu einer Geldstrafe von insgesamt 145 Milliarden Dollar verurteilt – wegen Verbreitung eines „tödlichen Produkts“ und „Betrug der Öffentlichkeit“. Doch obwohl sich die Konzerne in den USA auf die Zahlungen einlassen mussten: Die Tabaklobby gilt immer noch als eine der einflussreichsten und trickreichsten der Welt. Voriges Jahr zeigte eine Untersuchung, wie die Tabakkonzerne versuchten, die Weltgesundheitsorganisation WHO zu beeinflussen. So hätten die Lobbyisten Wissenschaftler gebeten, Leserbriefe an Fachzeitschriften zu schicken, in denen die Studien der WHO angezweifelt wurden. Und Philip Morris soll den skandinavischen Mediziner Tage Voss bis zu 6.500 Mark monatlich gezahlt haben, damit er öffentlich Anti-Raucher-Gruppen kritisiert.