Von Benetton lernen heißt siegen lernen

Es gibt noch immer zu viele Leute, die sagen „Den Holocaust hat’s nie gegeben“: Der Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden versucht, mit einem provokativen Plakat Spenden zu sammeln. Doch die Provokation ist nicht mit aller Schärfe auch ins Bild gesetzt worden

von BRIGITTE WERNEBURG

Stell dir vor, es ist Werbung – und keiner schaut hin. Stell dir vor, es ist Kampagne – und keiner reagiert darauf. Das ist der Albtraum eines jeden, der für Publicity verantwortlich ist. Aufmerksamkeit heißt die Ressource, die am knappsten ist in unserer Gesellschaft, und diese Tatsache fördert natürlich den Regelverstoß. Benetton hat ihn in seiner krassesten und umstrittensten Form so lange durchexerziert, bis Oliviero Toscani am Ende seinen Hut nehmen musste.

Sein Prinzip war einfach, aber wirkungsvoll: Er brachte die Themen des Tages unkommentiert in die Plakate und Anzeigen des italienischen Strickwarenherstellers ein. Fotografien einer ölverschmierten Ente aus den Tages des Golfkriegs, Kinderarbeit in der Dritten Welt, das Porträt eines an Aids sterbenden Mannes und im letzten Jahr schließlich Todeskandidaten aus US-amerikanischen Gefängnissen störten da plötzlich gewaltig den üblichen Lauf der Dinge. Denn wo blieb da die Moral? Womöglich nicht mehr da, wo sie war?!

Stell dir vor, es ist Werbung – und keiner schaut hin. Stell dir vor, es ist Kampagne – und keiner reagiert darauf. Ein wenig sieht es so aus, als ob genau das passiert mit dem Plakat, das der Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas initiiert hat. Am Tag seiner Veröffentlichung haben die Medien kaum Notiz von ihm genommen. Die Welt kündigt nur an: „Dieses Bild wird Ärger machen“, doch mehr fällt ihr dazu schon nicht mehr ein. Die Zeit als Sponsorin druckt es als Anzeige redaktionell unkommentiert über zwei Doppelseiten. Andernorts bleibt es vollkommen unbeachtet. Selbst bei der FAZ hält sich der Ärger in Grenzen, gerade 34 Randspaltenzeilen ist ihr die Sache wert.

Dabei provoziert das Plakat doch mit einem hierzulande unerhörten und tatsächlich sogar strafbewehrten Regelverstoß: „den holocaust hat es nie gegeben“, steht da geschrieben. Das ist Benetton-like. Ein Schock, der nach Erläuterung verlangt. Diese gibt es dann auch gleich, in einem einige Punkte kleineren Schriftblock, wo ganz in der Intention, die die Initiatoren des Mahnmals von Anfang an bewegte, geschrieben steht, es gebe immer noch viele Leute, die das sagen. In 20 Jahren könnten es aber noch mehr sein. Weshalb der gewöhnliche Bürger und die gewöhnliche Bürgerin, der Mann und die Frau auf der Straße für das Mahnmal in Berlin spenden sollen. 5 Millionen Mark will der Förderkreis zur Gesamtsumme von 50 Millionen Mark beitragen, und die will er als Spende der Zivilgesellschaft, wie man neuerdings sagt, einwerben. „Dieses Denkmal soll und darf nicht zu einer reinen ‚Staatsaktion‘ werden“, sagt die Vorstandsvorsitzende des Fördervereins, Lea Rosh, nachzulesen unter www.holocaust-denkmal-berlin.de. Und weil es hier um keine Staatsaktion geht, darf mit dem Plakat der Spendenkampagne ruhig ein bisschen auf den Deckel gehauen werden, unter dem es verdächtig ruhig ist. So war das wohl gedacht.

Leider hat das Plakat einen großen Fehler: die Fotografie, über der das Zitat der Auschwitzleugner prangt. Es ist das Bild einer idyllischen Alpenseekulisse, das Bild einer Gegend, die, wie wir alle wissen, die alten und die neuen Nazis, die Schweizer Heuchler und die österreichischen Haider-Anhänger beherbergt, kurz all die bösen Menschen, gegen die es mit der Spende für das Mahnmal im flachen, märkischen Sand aufzustehen gilt. Wo bleibt da die Moral? Da, wo sie immer war. Bei den Rechtschaffenen, die heute Gutmenschen heißen, bei denen, die wissen, dass es immer die anderen sind, die den Ärger machen. Schon das Zitat sortiert die Welt in die Bösen, die Lügner und Leugner, und die Guten, die ihnen keine Chance geben dürfen. Und doch schwingt im Zitat eine Ambivalenz mit, die es im Bild zu stützen gälte. Viele sagen es, heute noch ganz bewusst und provokativ, aber könnte nicht jeder es sagen? Könnte nicht jeder verführt sein, es zu sagen? Morgen vielleicht schon gar nicht mehr als Provokation, sondern als geschichtsvergessener Zeitgenosse, als ahnungsloser Dummbeutel zwar, der freilich nicht mehr als bewusster Leugner beschuldigt werden kann. Das wäre der historische Gau. Bei Benetton lernen heißt siegen lernen: Es kommt auf die Fotografie an. „Alpensee – Gamsbart –Faschismus“, assoziert da die FAZ beim Förderkreisplakat, das ein Team zu verantworten hat, das aus den Firmen TBWA, „im stall“ und „zufallsproduktion“ stammt, weshalb, am Rand des Posters auch sinnigerweise „zufallsproduktion im stall“ zu lesen ist.

Die FAZ steht damit sicher nicht allein, wenn sie meint: „Dümmer geht’s nimmer.“ Aber mit weniger Menschen auf dem Bild, nämlich keinem, geht’s auch nimmer. Das ist das die Crux des Zitats. Es käme gut über einer Büroszene oder einer Schlange Wartender an der Supermarktkasse. Aber bitte, da gäbe es Gesichter, denen es zuzuschreiben wäre! Intelligent oder zynisch? So lautete die Frage, die der Regelverstoß der Benetton-Werbung aufwarf. Ein bitterer, wenn auch nicht zynischer Ton kommt mit dem Zitat ins Spiel. Leider fehlt die Intelligenz, ihn all seiner Schärfe auch im Bild umzusetzen. Aber von Bennetton lernen heißt siegen lernen. Auch in der Niederlage. Jetzt muss der Förderkreis eben auf Edmund Stoiber und die Bayern hoffen. Damit das Plakat dann doch noch Ärger macht.