massenprotest in italien
: Zusammengeknüppelt

„Alle gleich, allesamt Gewalttäter“ – mit dieser kühnen These versuchen Ministerpräsident Silvio Berlusconi und sein Innenminister Claudio Scajola die Protestbewegung von Genua zu diskreditieren. Das hätte die Regierung gerne: eine homogene Bewegung, die sie wegen Verfassungsfeindlichkeit am liebsten komplett in die Nähe des Terrorismus rücken kann. Doch in Genua haben hunderte Gruppierungen, hunderttausende Menschen zusammengefunden, deren Hintergrund unterschiedlicher nicht sein könnte. Also galt es nun, sie auseinander zu dividieren und einzuschüchtern

Kommentarvon MICHAEL BRAUN

Doch auch mit der physischen Zerschlagung der Demonstrationen wurde das Resultat nicht erreicht. Die Knüppel von Genua bewirkten das Gegenteil: Sie schweißten die breite Protestfront der Italiener gegen die Polizei noch enger zusammen. Jetzt sind auf den Straßen wieder Demonstrationen zu sehen, wie sie Italien vor Genua höchstens zu Zeiten des Golfkriegs erlebt hatte. Zu den Globalisierungskritikern und Repressionsopfern haben sich viele Bürger gesellt, die schlicht gegen den in Genua geübten freihändigen Umgang der Gesetzeshüter mit Recht und Gesetz protestieren wollen.

Statt interner Spaltungen hat Berlusconi – und dies ist das zweite Resultat von Genua – der Protestbewegung einen gemeinsamen Gegner beschert: die gerade erst knapp zwei Monate amtierende Rechtsregierung. Mochten vor dem dem Gipfel noch große Teile der G-8-Kritiker an die Dialogbereitschaft auch der Rechten glauben, so wurden sie brutal eines Besseren belehrt. Berlusconi hat dem Land eine innenpolitische Konfrontation wie seit langem nicht mehr beschert. Es ist kein Zufall, wenn erstmals seit mehr als zwanzig Jahren ein Mensch während einer Demonstration getötet wird. Und es ist kein Zufall, wenn die Polizei erstmals seit Jahren nicht nur autonome Jugendliche niederknüppelt, sondern auch gesetzte Gewerkschafter. Zu lange glaubten auch viele Linke, mit dem Sieg der Rechten werde alles so schlimm nicht kommen.

Mit der Mäßigung der Regierung ist es jetzt schlagartig vorbei. Doch die Freude des Vize-Ministerpräsidenten Gianfranco Fini von den Postfaschisten über die Gewalt der Polizei kommt zu früh: Vielen Demonstranten hat die Polizei in Genua womöglich die Lust am Happening genommen, nicht aber den Willen zum Protest. Daraus folgt noch keine Regierungskrise, aber die Schonzeit ist vorbei: für die Regierung Berlusconi wie für diejenigen, die ihr in die Quere kommen.